Die Whistleblower-Richtlinie

RL 2019/1937

Im Oktober 2019 wurde die Whistleblower-Richtlinie (RL 2019/1937) im Rat der Europäischen Union beschlossen, welche am 16.12.2019 in Geltung getreten ist. Spätestens bis 17.12.2021 müssen nun die (Mindest-)Standards in den Mitgliedsstaaten umgesetzt werden (der Gesetzgebungsprozess dazu steht in Österreich noch aus). Die Richtlinie sieht unter anderem die verpflichtende Einführung von Whistleblower-Systemen (Hinweisgebersystemen) für größere Unternehmen und juristische Personen des öffentlichen Rechts vor. Außerdem enthält sie gewisse Schutzbestimmungen für Personen, die im Rahmen eines solchen Whistleblower-Systems auf mögliche Verstöße hinweisen.

Anwendungsbereich

Der sachliche Anwendungsbereich der Richtlinie umfasst ausschließlich die Meldung von Verstößen gegen EU-Recht. Erfasst sind insbesondere Verstöße im Bereich von Finanzdienstleistungen, der öffentlichen Auftragsvergabe, der öffentlichen Gesundheit und dem Schutz der Privatsphäre sowie Verstöße gegen Verbraucherschutz, Datenschutz, Umweltschutz und Kartellrecht. Die Richtlinie gibt in diesem Zusammenhang lediglich einen Mindestanwendungsbereich vor. Die österreichische Regierung hat bis dato jedoch nicht die Absicht geäußert, den Anwendungsbereich zu erweitern.

Whistleblower-Systeme sind zwingend für Meldungen durch Arbeitnehmer einzuführen. Die Einrichtung von Meldekanälen durch Selbständige, Anteilseigner, Organmitglieder, Auftragnehmer, Lieferanten und ehemalige Arbeitnehmer ist freiwillig.

Dreistufiges Meldesystem

Die Richtlinie sieht die Einrichtung eines dreistufigen Meldesystems durch die jeweiligen Mitgliedsstaaten vor. Dem Konzept der Richtlinie entsprechend sollen Meldungen möglicher Verstöße zunächst innerhalb der betroffenen Organisation aufgearbeitet werden. Das Whistleblower-System hat für Unternehmen daher den entscheidenden Vorteil, dass diese als Erste über strafbare Handlungen informiert werden und jene in weiterer Folge, sofern gesetzlich möglich, "saniert" werden können, bevor die Angelegenheit an die Behörden oder an die Öffentlichkeit gelangt (etwa durch Stellung eines Kronzeugenantrags im Kartellrecht). Eine rechtzeitige, freiwillige und vollständige Wiedergutmachung ermöglicht es Unternehmen allenfalls straffrei zu werden, weshalb die Implementierung des Whistleblower-Systems insbesondere auch dem betroffenen Unternehmen zu Gute kommt.

Sofern in den Unternehmen keine internen Meldekanäle existieren oder in weiterer Folge keine “geeigneten Maßnahmen” ergriffen werden, kann der Hinweisgeber seine Meldung direkt bei den zuständigen Behörden (zweite Ebene) einbringen. Eine Meldung kann auch dann direkt bei der Behörde eingebracht werden, wenn interne Meldekanäle im Unternehmen zwar existieren, der Hinweisgeber diese jedoch nicht kannte und auch nicht kennen konnte. Es ist daher wichtig, dass das Vorhandensein der internen Meldekanäle ausreichend kommuniziert wird. In Ausnahmefällen kann der Hinweisgeber mit seiner Meldung auch an die Öffentlichkeit gehen, nämlich dann, wenn nach ordnungsgemäßer Meldung auf erster und/oder zweiter Ebene nicht auf die Meldung reagiert wird oder wenn der Hinweisgeber das Gefühl hat, der gemeldete Verstoß gefährde unmittelbar das “öffentliches Interesse”. 

Verpflichtende Einführung von internen Meldekanälen

Unternehmen, die mehr als 50 Personen beschäftigen, sind verpflichtet, interne Meldekanäle einzuführen, wobei für juristische Personen mit 50 bis 249 Arbeitnehmer eine spätere Umsetzungsfrist (17.12.2023 statt 17.12.2021) vorgesehen ist. In der Richtlinie ist von "juristischen Personen" die Rede, sodass wohl keine Konzernbetrachtung bzgl der Anzahl der Arbeitnehmer anzustellen ist. Auch Unternehmen, die im Finanzdienstleistungsbereich oder in einem Bereich tätig sind, der von der Union als anfällig für Geldwäsche/Terrorismusfinanzierung eingestuft wird, müssen solche Kanäle verpflichtend einführen. Juristische Personen des öffentlichen Sektors sind grundsätzlich immer verpflichtet, ein Hinweisgebersystem einzuführen. Lediglich Gemeinden trifft diese Pflicht erst ab einer Einwohnerzahl von mehr als 10.000.  

Ausgestaltung interner Meldekanäle

Die internen Meldekanäle müssen die Abgabe einer Meldung unter Geheimhaltung der Identität des Hinweisgebers ermöglichen. Die Richtlinie enthält dazu keine Formvorschriften. Prinzipiell kann daher sowohl die schriftliche (z.B. Online-Portal) als auch die mündliche Einbringung (z.B. Whistleblower-Hotline) von Meldungen vorgesehen werden. Die Entgegennahme der Meldung muss durch eine unparteiische Person oder Abteilung erfolgen, die dem Whistleblower innerhalb von drei Monaten über eingeleitete Untersuchungen oder gesetzte Folgemaßnahmen zu informieren hat.

Schutz für Hinweisgeber

Die Mitgliedstaaten werden durch die Richtlinie verpflichtet, umfassende Schutzmaßnahmen für Hinweisgeber zu implementieren. Insbesondere müssen die Hinweisgeber vor Repressalien, wie Entlassung, Degradierung oder Diskriminierung, seitens des Arbeitgebers geschützt werden. Die zu implementierenden Schutzmaßnahmen umfassen zudem die Prozesskostenhilfe, kostenfreie Beratung und Information für Hinweisgeber sowie verschiedene Maßnahmen zum Schutz der Identität.

Sanktionen

Die Mitgliedsstaaten werden durch die Richtlinie verpflichtet, Sanktionen für natürliche oder juristische Personen festzulegen, die Repressalien gegen Hinweisgeber ergreifen, mutwillig Gerichtsverfahren gegen Hinweisgeber anstreben, die Identität der Hinweisgeber nicht ausreichend wahren oder die versuchen, abgegebene Meldungen zu unterdrücken. Einen konkreten Strafrahmen nennt die Richtlinie allerdings nicht.

Conclusio

Betroffene Unternehmen und öffentliche Institutionen sind gut beraten, sich möglichst früh mit der Planung zur Einrichtung eines Whistblowing-Systems zu befassen beginnen. Neben verschiedene Varianten der technischen Umsetzung (inkl der Frage eines internen oder externen Systems) sind organisatorische Maßnahmen (Anpassung von HR-Abläufen, interne Zuständigkeiten, etc) und anderweitige rechtliche Vorgaben (Datenschutz, Abschluss von Betriebsvereinbarungen, etc) zu beachten.

CERHA HEMPEL begleitet Sie dabei im Rahmen der Planung und Umsetzung.