VwGH: Keine Erstattung der Kapitalertragsteuer bei Cum/Ex-Gestaltungen
VwGH 28.06.2022
Der VwGH hat sich erstmals mit der Frage der Rückerstattung von Kapitalertragsteuer bei Vorliegen einer Cum-/Ex-Gestaltung beschäftigt (VwGH 28.06.2022, Ro 2022/13/0002).
In seiner Begründung weicht der VwGH von der Begründung des BFG ab:
Den Anspruch auf Erstattung der Kapitalertragsteuer habe jene Person, die im Zeitpunkt des Ausschüttungsbeschlusses wirtschaftlicher Eigentümer ist. Ob die Aktien vor Auszahlung der Dividende („cum“ Dividende) erworben wurden, ist daher nach Ansicht des VwGH nicht entscheidend.
Cum/Ex-Gestaltungen und Grundproblematik
Der Entscheidung des VwGH ist eine sogenannte Cum/Ex-Gestaltung zugrunde gelegen. Solche Gestaltungen sind aufgrund der bekanntgewordenen Steuermissbrauchsfälle, bei denen es zu einer mehrfachen Rückerstattung von Kapitalertragsteuer gekommen ist, nicht nur in den Fokus der Steuerbehörden gerückt, sondern aufgrund der Weitreiche der Fälle auch ein tagesaktuelles Thema in den Medien.
Bei Cum/Ex-Gestaltungen werden Aktien um den Dividendenstichtag erworben. Dabei werden Aktien nach dem Zeitpunkt der Hauptversammlung, in der eine Gewinnausschüttung der Aktiengesellschaft beschlossen wird, aber unmittelbar vor dem Tag, an dem die beschlossene Dividende ausgeschüttet werden soll, verkauft. Der Verkauf der Aktien erfolgt somit mit Dividendenanspruch ("cum" Dividende). Die Einlieferung der Aktien auf das Depot des Käufers erfolgt hingegen erst mehrere Tage später nach dem Ausschüttungsstichtag und somit ohne Dividendenanspruch („ex“ Dividende). Die Zahlung der Dividende erfolgt noch an den Verkäufer, der eine Ausgleichszahlung an den Käufer leistet.
Eine inländische Aktiengesellschaft behält bei einer Dividendenausschüttung in der Regel Kapitalertragsteuer ein und führt sie an das Finanzamt ab. Ist der Dividendenempfänger im Ausland ansässig, kann er regelmäßig auf Grundlage anzuwendenden Doppelbesteuerungsabkommens (vgl Art 10, 23 OECD-MA, § 240 Abs 3 BAO) die Rückerstattung der Kapitalertragsteuer verlangen. Bei Cum/Ex-Gestaltungen ist zu klären, wer berechtigt ist, die abgeführte Kapitalertragsteuer rückerstatten zu lassen. Andernfalls könnte die Kapitalertragsteuer fälschlich doppelt bzw mehrfach erstattet werden.
Sachverhalt
Die Revisionswerberin war eine in den Vereinigten Arabischen Emiraten (UAE) ansässige Kapitalgesellschaft. Im Jahr 2013 erwarb sie über einen Broker im außerbörslichen Handel (OTC) Aktien an börsenotierten österreichischer Aktiengesellschaften jeweils kurz nach dem Zeitpunkt des Ausschüttungsbeschlusses der Hauptversammlung der jeweiligen Aktiengesellschaft. Der Kauf der Aktien erfolgte somit mit bereits entstandenem Dividendenanspruch („cum“ Dividende).
Die Lieferung der Aktien erfolgte jeweils nach vollständigem Abschluss des Settlements durch die OeKB, somit nach dem Dividendenstichtag (das ist der für den Depotstand zum Erhalt der Dividendenzahlung maßgebliche Tag) „ex“ in das Depot der Revisionswerberin. Als Ersatz für die entgangenen Dividenden erhielt die Revisionswerberin Kompensationszahlungen in Höhe der Nettodividenden. Der „Tradingansatz“ der Revisionswerberin sah vor, Wertpapiere nach Beschlussfassung einer Ausschüttung aber noch vor dem Ex-Tag zu kaufen und in der Folge kurzfristig innerhalb eines bestimmten Zeitraumes wieder zu veräußern.
Die österreichischen Aktiengesellschaften behielten bei Auszahlung der Dividende Kapitalertragsteuer ein und führten diese an das Finanzamt ab. In Folge beantragte die Revisionswerberin beim Finanzamt mit zwei Eingaben die Erstattung österreichischer Kapitalertragsteuer iHv in Summe ca EUR 2,3 Mio auf Grundlage von Art 10 des zwischen UAE und Österreich geschlossenen DBA und gemäß § 240 Abs 3 BAO, wobei das Finanzamt die Rückerstattung verweigerte. Begründend führte das Finanzamt aus, dass laut (im Rahmen von Ergänzungsersuchen) vorgelegten Unterlagen die Aktien zwar vor dem Dividendenstichtag (Ex-Tag) gekauft wurden, aber erst nach diesem Stichtag auf dem Wertpapierdepot eingeliefert wurden. Die Dividenden seien daher dem bisherigen Anteilseigner zuzurechnen.
Entscheidung des BFG vom 20.07.2021, RV/7102008/2017
Gegen die Bescheide des Finanzamtes brachte die Revisionswerberin Beschwerden ein. Die Revisionswerberin behauptete ihre Berechtigung zur Rückerstattung von Kapitalertragsteuer under Zugrundelegung der Ansicht, dass sie das wirtschaftliche Eigentum an den Aktien bereits mit Abschluss der schuldrechtlichen Kaufvereinbarung erworben habe.
Das BFG gab den Beschwerden keine Folge. Zusammenfassend hielt es fest, dass die Revisionswerberin vor der Einlieferung der Aktien auf ihrem Dopt mangels Dispositionsbefugnis weder zivilrechtliches noch wirtschaftliches Eigentum an den Aktien erworben habe. Dies ergebe sich daraus, dass sie zu diesem Zeitpunkt keinen Anspruch auf Dividendenzahlung habe geltend machen können. Der Umstand, dass die Wertpapiere „ex“ Dividende auf das Depot der Revisionswerberin eingeliefert worden seien und diese zum Zeitpunkt der Einlieferung keinen Anspruch auf originäre Dividendenzahlung gehabt habe, sei ein klarer Hinweis darauf, dass sie keine mit Kapitalertragsteuer behafteten Dividenden, sondern lediglich Kompensationszahlungen erhalten habe, die von der Depotbank als Dividendenzahlungen bestätigt worden seien. Die „cum“ Dividende erworbenen und „ex“ Dividende gelieferten Aktien begründeten daher keinen Anspruch auf Anrechnung der auf die originäre Dividende erhobenen Kapitalertragsteuer.
Entscheidung des VwGH vom 28.06.2022, Ro 2022/13/0002
Der VwGH wies die Revision der Revisionswerberin ab. Die Erstattung der Kapitalertragsteuer auf Grundlage des Art 10 und 23 des Doppelbesteuerungsabkommens mit UAE und § 240 Abs 3 BAO setze voraus, dass die Revisionswerberin Abgabenschuldnerin ist und dass ihr die Kapitalerträge (Dividenden) ertragsteuerlich zuzurechnen sind.
Zurechnungssubjekt von Dividenden ist, wer im Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses wirtschaftlicher Eigentümer der Aktien ist. Der Aktionär hat ab dem Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses der Hauptversammlung die - wenn auch noch nicht fällige – vermögensrechtliche Forderung auf Dividendenausschüttung; tritt er diese Forderung (in der Regel zusammen mit der Aktie) in der Folge einem Dritten ab, kann der Dritte nicht Zurechnungssubjekt für den bereits vorher entstandenen Dividendenanspruch sein.
Im Revisionsfall steht sachverhaltsmäßig fest, dass die Revisionswerberin im Jahr 2013 Aktien börsenotierter inländischer Unternehmen nach dem Zeitpunkt des Ausschüttungsbeschlusses der Hauptversammlung der jeweiligen AG, also mit bereits entstandenem Dividendenanspruch („cum“ Dividende) erworben hat. Die Frage, ob das wirtschaftliche Eigentum an den Aktien bereits mit dem Abschluss der schuldrechtlichen Kaufvereinbarung (dies war der Standpunkt der Revisionswerberin) oder erst mit der späteren Einlieferung auf ihr Depot (so der Standpunkt des Bundesfinanzgerichts) erworben hat, konnte offenbleiben.
Fazit
Nicht nur wegen der derzeitigen medialen Aufmerksamkeit um das Thema Cum/Ex-Geschäfte hat die gegenständliche Entscheidung des VwGH besondere Bedeutung. In seiner rechtlichen Beurteilung kommt der VwGH zwar wie auch das Finanzamt und das Bundesfinanzgericht zum Ergebnis, dass die Revisionswerberin keinen Anspruch auf Rückerstattung der Kapitalertragsteuer hat, begründet dies jedoch anders. Der VwGH legt dar, dass es nicht auf das wirtschaftliche Eigentum am Ausschüttungsstichtag ankomme. Entscheidend sei, wer wirtschaftlicher Eigentümer der Aktien am Tag des Ausschüttungsbeschlusses in der Hauptversammlung der Aktiengesellschaft ist. Werden Aktien nach dem Zeitpunkt des Ausschüttungsbeschlusses mit bereits entstandenem Dividendenanspruch („cum“ Dividende) verkauft, besteht mangels Zurechnung der Dividenden als Einkünfte kein Anspruch auf Erstattung der Kapitalertragsteuer durch den Erwerber.