4. OGH-Entscheidung zur Mietzinszahlungspflicht während Lock-Down

Authors

Mark Krenn, Partner

Marko Vladic, Senior Associate

In der bislang vierten Entscheidung des OGH zu Mietzinsminderungsansprüchen im Zusammenhang mit der COVID-19 Pandemie (OGH v. 25.1.2022, 8 Ob 131/21d) setzte sich der OGH nun mit der Frage auseinander, ob das (potentielle) Anbieten eines Liefer- und Abholdienstes eines Gastronomiebetriebes während des "zweiten Lockdowns" (17.11.2020 bis 6.12.2020) eine teilweise Brauchbarkeit des Bestandobjekts begründet und daher auch zu einer Verpflichtung des Mieters zur (teilweisen) Zahlung des Mietzinses führt. Im Einklang mit der bisherigen Judikatur hat der OGH ausgesprochen, dass die COVID-19-Pandemie als "Seuche" und damit als außerordentlicher Zufall iSd § 1104 ABGB zu werten ist und aufgrund dieser Pandemie angeordnete Betretungsverbote für Geschäftsräume zu deren Unbenutzbarkeit führen.

Für die Frage, ob (teilweise) Unbenutzbarkeit des im Einzelfall betrachteten Bestandobjekts vorliegt, legte der OGH ein besonderes Augenmerk auf den vereinbarten Verwendungszweck. Bei Geschäftsräumen, die durch Kundenverkehr gekennzeichnet sind, führt ein Betretungsverbot zur gänzlichen Unbenutzbarkeit des Bestandobjekts im Sinne des § 1104 ABGB. In seinen vorangegangenen Entscheidungen zu einem Sonnenstudio (OGH 21. 10. 2021, 3 Ob 78/21y) sowie zu einem Nagelstudio (OGH 25. 11. 2021, 3 Ob 184/21m) haben daher nach Ansicht des OGH die Betretungsverbote zu einer gänzlichen Unbenutzbarkeit der jeweiligen Mietobjekte geführt. Sollte eine vertragsgemäße Nutzung des Bestandobjekts jedoch eingeschränkt möglich sein, ist der Mietzins gem § 1105 ABGB im Umfang der Gebrauchsbeeinträchtigung nach der relativen Berechnungsmethode zu mindern.

Fraglich war daher für die gegenständliche Entscheidung, ob nach dem Vertragszweck des Gastgewerbes, der Mieter ein Abhol- und Lieferservice anbieten hätte müssen. Da unter die Gewerbeberechtigung für das Gastgewerbe auch die Lieferung und damit der Verkauf von angerichteten kalten Platten, kalten oder warmen Buffets sowie sonstigen warmen Speisen und Menüs ohne Nebenleistungen, umfasst ist, deckt der Geschäftszweck "Gastwirtschaft" sämtliche Tätigkeiten, zu denen ein Gastgewerbetreibender nach der Gewerbeordnung berechtigt ist, also auch das Anbieten eines Take-away und die Lieferung von Speisen und Getränken, ab.

Nach einer ausführlichen Würdigung des bisherigen Schrifttums kommt der OGH zum Ergebnis, dass die Unbrauchbarkeit bzw Unbenützbarkeit des Bestandobjekts – ausgehend vom vereinbarten Verwendungszweck – anhand eines objektiven Maßstabs zu beurteilen ist. Daraus folgt, dass selbst die abstrakte Möglichkeit, einen Take-Away bzw die Lieferung von Speisen und Getränken anzubieten zu einer zumindest teilweisen Brauchbarkeit des Bestandobjekts und damit zu einer bloß anteiligen Mietzinsminderung führt.

Dem Mieter steht laut Ansicht des OGH jedoch der Einwand offen, dass die Etablierung eines Abhol- und Lieferservice nicht (sofort) zumutbar gewesen wäre. Die Unzumutbarkeit wird jedenfalls dann vorliegen, wenn – zB aufgrund des fehlenden Kundenstocks – ein nachhaltiges Verlustgeschäft zu erwarten gewesen wäre. Die Beweispflicht für die mangelnde Brauchbarkeit trifft dabei aber den Mieter.

Im Ergebnis wird damit bei der Beurteilung, ob zumindest eine teilweise Mietzinszahlungspflicht besteht, auf den vertraglich vereinbarten Verwendungszweck das Augenmerk zu legen sein, insbesondere auch die Frage, welche Geschäftstätigkeiten darin Deckung finden. Damit folgt der OGH unserer Ansicht, die wir bereits zu Beginn der Pandemie vertreten haben.

Link: Miete zahlen oder nicht ? Kurier, 4. April 2020    
Link: Miete zahlen oder nicht? Österreichische Richterzeitung, Juni 2020, 123ff