DER EUROPÄISCHE HOCHSCHULRAUM IM KONTEXT DES GATS: DAS CEU-URTEIL DES EUGH

Das CEU-Urteil des EuGH

Mit Urteil vom 06.10.2020 (C-66/18) hat der EuGH festgestellt, dass Ungarns Hochschulgesetz nicht mit dem EU-Recht vereinbar ist. Dieses Hochschulgesetz verpflichtet Hochschulen aus Staaten außerhalb des EWR, wenn sie in Ungarn ihre Tätigkeiten aufnehmen oder fortführen wollen, den Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrags zwischen Ungarn und ihrem Herkunftsstaat nachzuweisen, sowie ferner. dass im jeweiligen Herkunftsstaat eine Hochschulausbildung angeboten wird. Dieses Gesetz zielte klar darauf ab, die Tätigkeiten der Central European University (CEU) zu untersagen.

Im Ergebnis kommt der EuGH zu dem Schluss, dass dieses Hochschulgesetz aus einer ganzen Reihe von Gründen mit dem Unionsrecht nicht zu vereinbaren ist. Dabei betritt er teilweise Neuland in seiner Rechtsprechung:

Zunächst prüft der EuGH, inwieweit eine Verletzung des im Rahmen der WTO abgeschlossenen GATS (General Agreement on Trade in Services) vorliegt. Dabei kommt der EuGH zunächst zu dem Ergebnis, dass er zuständig sei zur Feststellung von Verstößen von Mitgliedsstaaten gegen Verpflichtungen aus dem GATS. Darüber hinaus bejaht er, dass es sich beim Angebot einer Universität, die überwiegend von ihrem Träger finanziert wird, um eine entgeltliche Dienstleistung im Sinne des GATS handelt. Konsequenterweise kommt er zum Ergebnis, dass hier Ungarn gegen seine Verpflichtung zu Inländergleichbehandlung (also dazu, ausländischen Anbietern gleiche Rechte zu gewähren wie inländischen) verstoßen hat.

Auch im Hinblick auf die Niederlassungsfreiheit hält der EuGH sehr klar fest, dass die Form der Finanzierung für das Vorliegen einer entgeltlichen Dienstleistung nicht schädlich ist. Es kommt im Wesentlichen darauf an, dass Dienstleistungen gegen Entgelt erbracht werden. Dass nun Bestimmungen wie das ungarische Hochschulgesetz die Ausübung der Niederlassungsfreiheit weniger attraktiv machen, liegt auf der Hand. In weiterer Folge weist der EuGH die Rechtfertigungsversuche Ungarns zurück, die Bestimmungen seien zum Schutz der öffentlichen Ordnung notwendig, da der Staat sicherstellen müsste, dass eine tatsächliche und legitime Tätigkeit im Sitzstaat ausgeübt würde. Ferner wendet sich Ungarn in seinem Rechtfertigungsversuch gegen mögliche Täuschungen, ohne dies jedoch ausreichend darzutun. Auch wenn Ungarn ein hohes Niveau an Ausbildungsqualität sicherstellen möchte, verfängt diese Rechtfertigung nicht.

Es ist in weiterer Folge nur konsequent, dass der EuGH dann auch eine Verletzung der Dienstleistungsrichtlinie (RL 2016/123) feststellt.

Schlussendlich kommt der EuGH dann auch noch zum Ergebnis, dass die Bestimmungen über die Wissenschaftsfreiheit der Grundrechtecharta (Artikel 13) verletzt sind. Hier betont der EuGH – und dabei handelt es sich wohl um die „angreifbarste“ Passage in dem Urteil – , dass der Wissenschaftsfreiheit auch eine institutionelle und organisatorische Dimension innewohne. Folglich sei es erforderlich, auch die Gründung von Hochschulen zuzulassen.

Vorbehaltlos zu begrüßen ist, dass der EuGH dem Versuch Ungarns, die Tätigkeiten der CEU zu untersagen, einen Riegel vorschiebt.

Die Argumentation freilich wird in Zukunft noch einiges an Kopfzerbrechen bereiten: Wenn der EuGH meint, die GATS-Regeln seien auf Bildungsangebote im Wesentlichen unabhängig von deren Finanzierung anwendbar und er ferner die Notwendigkeit der Inländergleichbehandlung betont, ist fraglich, in wieweit der Zugang von Bildungsanbietern außerhalb der EU zum österreichischen Markt – jedenfalls in der derzeit in § 27b HS-QSG vorgesehener Weise – beschränkt werden kann.

Die Diskussion darüber, inwieweit dem Grundrecht auf Wissenschaftsfreiheit der Grundrechtecharta ein sogenannter institutioneller Gehalt zukommt, wird tatsächlich primär von akademischem Interesse sein. Es ist bekannt, dass der österreichische Verfassungsgerichtshof zum nationalen Grundrecht auf Wissenschaftsfreiheit (Art 17 StGG) eine konträre Position vertritt. Angesichts der Tatsache, dass der EuGH auch von einer Verletzung von Grundfreiheiten und der Dienstleistungsrichtlinie ausgeht, liegt auf der Hand, dass der faktische Anwendungsbereich dieser Bestimmung in aller Regel eingeschränkt sein wird.

Was bleibt: Ein kleiner Schritt für die Rechtsstaatlichkeit in Ungarn, ein doch größerer Schritt in eine Richtung, den Europäischen Hochschulraum zu einem globalen Hochschulraum zu öffnen.