Geschäftsführerhaftung bei Fake President Fraud

Ressortzuständigkeit Geschäftsverteilung IKS InternesKontrollsystem Geschäftsführerhaftung FakePresidentFraud

8 ObA 109/20t

In der Entscheidung 8 ObA 109/20t widmete sich der Oberste Gerichtshof den rechtlichen Folgen eines Fake President Fraud, in dessen Rahmen eine Gesellschaft um mehrere zig Millionen Euro betrogen worden ist, und spezifizierte die Grundzüge der Geschäftsführerhaftung.

Der Fake President Fraud ist eine Betrugsmethode, in der – meist über Emailverkehr – Mitarbeiter unter Vorgabe einer falschen Identität des Absenders dahingehend manipuliert werden, dass sie Geldüberweisungen vornehmen. Im gegenständlichen Fall gab sich einer der Betrüger gegenüber der Gruppenleiterin der Finanzbuchhaltung der Gesellschaft als der (beklagte) Geschäftsführer der Gesellschaft aus und forderte sie wegen einer angeblich geheimen Unternehmensübernahme auf, Geldüberweisungen vorzunehmen. Die Gruppenleiterin entsprach schließlich dieser Aufforderung und überwies durch Umgehung der vorgeschriebenen Sicherheitsmaßnahme des Vier-Augen-Prinzips rund 54 Mio EUR.

Bei der Verletzung der Pflicht, ein Internes Kontrollsystem (IKS) gemäß § 22 GmbHG zu führen, haftet der Geschäftsführer nach § 25 GmbHG.

Diese Geschäftsführerhaftung ist eine Verschuldens- und keine Erfolgshaftung. Das Verschulden eines Arbeitnehmers der Gesellschaft ist dem Geschäftsführer grundsätzlich nicht zuzuordnen, weil Arbeitnehmer keine Gehilfen des Geschäftsführers, sondern lediglich der Gesellschaft sind. Ein Geschäftsführer hat nur dann für einen Arbeitnehmer einzustehen, wenn er seine Organisations- und Überwachungspflichten schuldhaft verletzt hat und dies adäquat schadenskausal war.

Die Adäquanz ist eine Rechtsfrage. Hinsichtlich der Kausalität ist die Gesellschaft behauptungs- und beweislastpflichtig. Der Geschäftsführer hat demgegenüber zu behaupten und zu beweisen, dass sein Verhalten weder subjektiv noch objektiv sorgfaltswidrig war.

Die Ausgestaltung des Internen Kontrollsystems ist eine Ermessensentscheidung. Der Sorgfaltsmaßstab des Geschäftsführers richtet sich hierbei nach der Business Judgment Rule. Es gilt, dass Entscheidungen nicht schon deshalb haftungsbegründend sind, weil sie sich ex post als nachteilig herausgestellt haben. Vielmehr ist (nur) ein ex ante pflichtwidriges Verhalten potenziell haftungsbegründend.

Das Interne Kontrollsystems muss darauf abzielen, das Vermögen zu sichern, die Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Abrechnung zu gewährleisten und die Einhaltung der Geschäftspolitik zu unterstützen. Das Interne Kontrollsystem basiert regelmäßig auf organisatorischen oder EDV-technischen Überwachungsmaßnahmen wie zB Unterschriftenregelungen, EDV-Zugriffsbeschränkungen oder Arbeitsanweisungen und Kontrollmaßnahmen wie zB manuelle oder automatisationsunterstützte Plausibilitätsprüfungen in der Buchhaltungssoftware. Außerdem bestehen Richtlinien und Regelwerke zur Definition, Dokumentation und internen Revision von Standardprozessen. Durch wiederkehrende Prüfungen wird die Effizienz eines Internen Kontrollsystems kontrolliert.

Durch solche Maßnahmen allein kann ein Fake President Fraud, der Mitarbeiter zur Umgehung der Kontrolleinrichtungen verleiten will, nicht verhindert werden. Dennoch hat den ressortunzuständigen Geschäftsführer keine Pflicht getroffen, ohne Anlass und lediglich aus prinzipiellem Misstrauen das fremde Ressort weiter zu prüfen, weil er von der ressortzuständigen Geschäftsführerin ordnungsgemäß über das Interne Kontrollsystem informiert worden ist, und diese Betrugsmethode damals im deutschsprachigen Raum noch nicht bekannt war. Der unzuständige Geschäftsführer hätte jedoch allenfalls dann aktiv werden müssen, wenn die zuständige Geschäftsführerin ihn nicht informiert hätte oder wenn konkrete Bedenken gegen Richtigkeit und Vollständigkeit der Auskünfte bestanden hätten.

Interessant ist, wie die Gerichte jenes Verfahren entscheiden werden, das im Ausland parallel gegen jene ehemalige Geschäftsführerin geführt wird, in deren Ressortzuständigkeit Banküberweisungen gefallen sind. Hier werden die Gerichte festzustellen haben, ob die getroffenen Maßnahmen ex ante ausreichend und vertretbar waren und wie es zu werten ist, dass die Fake President Fraud Betrugsmethode im deutschsprachigem noch nicht bekannt war.