Am 30. Juli 2025 hat der Oberste Gerichtshof (OGH) unter der Geschäftszahl 10 Ob 15/25s eine überraschende und weitreichende Entscheidung zur Anwendbarkeit des § 6 Abs 2 Z 4 Konsumentenschutzgesetz (KSchG) auf langfristige Mietverträge getroffen.
Bisher fehlte eine einheitliche Judikaturlinie zu dieser Thematik. Verschiedene Senate des OGH waren sich uneins. Dies führte zu erheblicher Rechtsunsicherheit in der Praxis, sowohl bei Mietern als auch bei Vermietern. Auch der Verfassungsgerichtshof beschäftigte sich jüngst ausführlich mit diesem Themenkreis, insbesondere in seinen Entscheidungen G 170/2024-17 sowie G 37-38/2025-11.
Der OGH nahm diese bestehende Unsicherheit zum Anlass, eine ausführliche Klarstellung vorzunehmen. Er stellte zunächst auf den genauen Wortlaut des § 6 Abs 2 Z 4 KSchG ab. Diese Norm erfasse ausschließlich jene Verträge, deren vollständige Leistungserbringung innerhalb von zwei Monaten nach Vertragsabschluss vorgesehen sei. Bereits daraus ergibt sich eine klare Begrenzung des Anwendungsbereichs.
Zudem hob der OGH den Normzweck hervor: Die Bestimmung soll überraschende Preiserhöhungen bei kurzfristigen Vertragsverhältnissen verhindern. Bei langfristigen Mietverträgen, die typischerweise auf mehrere Jahre ausgelegt sind, bestehe hingegen kein Überraschungsmoment. Es sei branchenüblich, dass langfristige Mietverträge häufig Wertsicherungsklauseln beinhalten, um inflationsbedingten Wertverlusten entgegenzuwirken. Dem Mieter sei bewusst, dass eine regelmäßige Anpassung der Miethöhe vorgesehen ist.
Der OGH stellte weiter klar, dass § 6 Abs 2 Z 4 KSchG ausschließlich jene Verträge erfasst, bei denen die vollständige Leistungserbringung innerhalb von zwei Monaten nach Vertragsabschluss vorgesehen ist. Diese Auslegung entspricht den Gesetzesmaterialien und dem ursprünglichen Zweck der Norm.
Mit dieser Klarstellung zog der OGH eine wichtige Trennlinie. Maßgeblich für die Anwendbarkeit der Norm sei demnach nicht, ob der Vertrag ein Zielschuldverhältnis oder Dauerschuldverhältnis darstellt, sondern allein, ob die vollständige Leistungserbringung innerhalb von zwei Monaten nach Vertragsschluss vorgesehen ist. Diese Auslegung schafft eine angemessene Balance zwischen Verbraucherschutz und Vertragsfreiheit.
Interessant ist, dass sich der OGH explizit von jüngeren Aussagen des Verfassungsgerichtshofs distanziert und betont, nicht an dessen Rechtsansicht gebunden zu sein. Der OGH begründet dies damit, dass eine Anwendung von § 6 Abs 2 Z 4 KSchG auf langfristige Dauerschuldverhältnisse weder vom Wortlaut noch vom Zweck her gerechtfertigt sei. Eine andere Auslegung würde zu erheblichen rechtlichen Schwierigkeiten führen, insbesondere im Hinblick auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Klauselrichtlinie.
Im Ergebnis hält der OGH ausdrücklich fest, dass § 6 Abs 2 Z 4 KSchG auf langfristige Dauerschuldverhältnisse, insbesondere Mietverträge, nicht anwendbar ist, sofern diese nicht auf eine vollständige Leistungserbringung innerhalb von zwei Monaten ausgelegt sind.
Diese Entscheidung schafft endlich Rechtssicherheit und stellt sicher, dass Wertsicherungsklauseln in langfristigen Mietverträgen zulässig bleiben, sofern sie transparent und sachgerecht gestaltet sind. Für Vermieter und Mieter bietet diese Rechtsprechung eine maßgebliche Orientierung und wichtige Leitlinie für zukünftige Vertragsgestaltung und Rechtsstreitigkeiten.