Mit der geplanten Grundbuchsnovelle 2024 hält der Datenschutz nun Einzug in das Grundbuch. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat mit Urteil vom 6. April 2021 festgestellt, dass Österreich das Grundrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzt hat, weil das Grundbuch bei der Veröffentlichung eines Scheidungsvergleichs in der Urkundensammlung keine Abwägung zwischen dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers einerseits und den Zwecken der Öffentlichkeit des Grundbuchs andererseits vorgenommen hat. Diese Entscheidung hat weitreichende Folgen für die Veröffentlichung von Urkunden im Grundbuch.
Bisher konnten Gerichte keine Abwägung zwischen dem Recht auf Privatsphäre und dem Interesse der Öffentlichkeit an der Einsicht in das Grundbuch vornehmen. Mit den neuen Bestimmungen soll dies nun möglich werden. Das Ziel der Grundbuchsnovelle 2024 ist es, das Grundrecht auf Schutz der Privatsphäre zu gewährleisten, ohne die öffentlichen Interessen an der Genauigkeit und Überprüfbarkeit der Grundbucheintragungen zu beeinträchtigen. Das Vertrauen in das Grundbuchsystem soll erhalten bleiben und gleichzeitig der Schutz persönlicher Daten gestärkt werden.
Zu diesem Zweck sollen unter anderem die neuen Paragraphen 6b und 6c in das Grundbuchsumstellungsgesetz eingeführt werden. Diese Bestimmungen regeln die Beschränkung der Einsicht in Urkunden, die private oder familiäre Daten enthalten. Paragraph 6b sieht vor, dass betroffene Personen einen Antrag stellen können, um die Einsicht in solche Urkunden zu beschränken. Dies gilt auch rückwirkend für bereits digital gespeicherte Urkunden. Der Antrag ist gebührenfrei und kann von den betroffenen Personen oder ihren Vertretern gestellt werden. Gerichte müssen dann eine Abwägung zwischen den Interessen des Antragstellers und den öffentlichen Interessen vornehmen.
Wird dem Antrag stattgegeben, erstellt das Gericht eine bereinigte Fassung der Urkunde, in der sensible Daten unkenntlich gemacht werden. Diese bereinigte Fassung wird dann in die Urkundensammlung aufgenommen, während die Originalurkunde für die öffentliche Einsicht gesperrt bleibt. Dies stellt sicher, dass nur die notwendigen Daten öffentlich zugänglich sind, während die Privatsphäre der betroffenen Personen geschützt wird.
In Fällen, in denen regelmäßig mit Anträgen auf Einsichtsbeschränkung zu rechnen ist, sieht Paragraph 6c eine automatische Erstellung gesonderter Ausfertigungen vor. Dies betrifft vor allem familien- und erbrechtliche Angelegenheiten. So sollen beispielsweise bei Scheidungsfolgenvereinbarungen oder Einantwortungsbeschlüssen nur die notwendigen Daten für das Grundbuch veröffentlicht werden. Darüber hinaus wird für den Fall der zwangsweisen Pfandrechtsbegründung geregelt, dass nur die Exekutionsbewilligung, nicht aber der zugrundeliegende Titel in die Urkundensammlung aufgenommen wird.
Bei der Interessenabwägung ist insbesondere zu berücksichtigen, dass es nicht nur um den Schutz der Privatsphäre, sondern auch um die Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit Liegenschaften geht. Beispielsweise müssen Daten, die für öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Rechte relevant sind, weiterhin öffentlich zugänglich bleiben. Dies betrifft unter anderem Kaufpreise, Parteien des Rechtsgeschäfts und Bedingungen von Vorkaufsrechten oder Wiederkaufsrechten. Diese Informationen sind essenziell für die Rechtssicherheit und die Überprüfbarkeit von Transaktionen und Rechtsverhältnissen im Zusammenhang mit Liegenschaften.
Zusätzlich zur Interessenabwägung durch die Gerichte verweisen die erläuternden Bemerkungen meiner Meinung nach zu Recht auch auf die Verantwortung der Vertragsersteller, die darauf zu achten haben, dass Vertragsurkunden keine unnötigen persönlichen Daten enthalten, um den Schutz der Privatsphäre von Anfang an zu gewährleisten. Schon jetzt ist es möglich und auch üblich, Nebenvereinbarungen zu einem Liegenschaftskaufvertrag, die keine Auswirkungen auf die grundbuchsrelevanten Rechte und Pflichten haben und auch nicht die Grunderwerbsteuer oder die Eintragungsgebühr beeinflussen, auszulagern, damit eine Veröffentlichung in der Urkundensammlung vermieden werden kann.
Ein weiterer wichtiger Aspekt des Entwurfs der Grundbuchsnovelle 2024 ist, dass alle digital gespeicherten Urkunden, die bereits vor dem Inkrafttreten der Novelle in der Urkundensammlung gespeichert wurden, ebenfalls unter die neuen Bestimmungen fallen. Dadurch wird sichergestellt, dass der Schutz der Privatsphäre nicht nur für zukünftige, sondern auch für bereits bestehende digitalisierte Urkunden gilt.
Über den Einsichtsbeschränkungsantrag wird unabhängig vom Grundbuchsantrag in einem separaten Verfahren außer Streitsachen durch einen Richter entschieden. Das Antragsrecht steht der jeweils in ihren Anliegen auf Geheimnisschutz betroffenen Person zu. Parteistellung haben neben einem Antragsteller nur die Personen, die zum Antrag auf Verbücherung der betroffenen Urkunde berechtigt sind oder – bei einer bereits erfolgten Eintragung – berechtigt waren.
Abschließend lässt sich sagen, dass der Entwurf der Grundbuchsnovelle 2024 ein ausgewogenes Regelwerk bietet, das sowohl den Schutz der Privatsphäre als auch die öffentlichen Interessen berücksichtigt. Er stellt sicher, dass persönliche Daten im Grundbuch geschützt werden, ohne die Transparenz und Verlässlichkeit des Grundbuchs zu beeinträchtigen. Dies ist ein bedeutender Fortschritt für das österreichische Grundbuchrecht und ein Beispiel dafür, wie Datenschutz und öffentliche Interessen erfolgreich miteinander verknüpft werden können.