Mit Spannung wurde die Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien über den Rekurs der Republik Österreich gegen die Bestätigung des Sanierungsplans der SIGNA Prime Selection AG erwartet. Jetzt ist sie da und ich analysiere für Sie heute die Entscheidung.
Halten wir uns noch einmal kurz vor Augen: Die Insolvenz der SIGNA ist eine der größten Insolvenzen, die Österreich jemals gesehen hat. Die SIGNA Prime Selection AG meldete am achtundzwanzigsten Dezember zweitausenddreiundzwanzig Insolvenz an, und zwar als Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung. Die SIGNA hat sich in den letzten Jahren zu einem der führenden Immobilienunternehmen in Europa entwickelt, mit einem Portfolio, das zahlreiche hochkarätige Objekte umfasst.
Hintergrund der Insolvenz
Die Probleme begannen, als sich der Immobilienmarkt aufgrund globaler wirtschaftlicher Unsicherheiten und der COVID-19-Pandemie erheblich veränderte. Diese Faktoren führten zu einem Rückgang der Immobilienwerte und zu einem drastischen Einbruch der Einnahmen aus Vermietungen und Verkäufen. Hinzu kamen die Zinserhöhungen im Juli zweitausendzweiundzwanzig, die nochmals die Lage verschärften. SIGNA kämpfte mit Liquiditätsproblemen und konnte seinen finanziellen Verpflichtungen letztlich nicht mehr nachkommen.
Der Sanierungsplan
Im Rahmen des Insolvenzverfahrens wurde ein Sanierungsplan erstellt, dem auch die große Mehrheit der Gläubiger zustimmte. Obwohl das Erstgericht diesen Plan bestätigte, änderte das Oberlandesgericht Wien diese Entscheidung und versagte dem Sanierungsplan am fünften Juli zweitausendvierundzwanzig die Bestätigung.
Wie kam es dazu? Beginnen wir mit dem Sanierungsplan, der übrigens in der Insolvenzdatei des Justizministeriums im Internet öffentlich abrufbar ist:
Der Sanierungsplan sah eine dreißigprozentige Quote für die Insolvenzgläubiger vor, zahlbar innerhalb von zwei Jahren ab dessen Annahme. Zur Erreichung dieser Quote sollte eine geordnete Fortsetzung und Verwaltung laufender Entwicklungsprojekte sowie die strukturierte Verwertung von Bestandsimmobilien erfolgen.
Die Umsetzung des Sanierungsplans hing jedoch maßgeblich von der Sicherstellung einer Überbrückungsfinanzierung ab, die durch einen Massekredit in dreistelliger Millionenhöhe aufgebracht werden sollte. Diese Finanzierung war notwendig, um die Solvenz der deutschen Beteiligungsgesellschaften, welche alle wesentlichen Immobilien (indirekt auch jene in Österreich) halten, zu gewährleisten und deren Insolvenz zu vermeiden, um einen geordneten Abverkauf zu ermöglichen. Sollte die SIGNA nicht in der Lage sein, diese Insolvenzverfahren durch finanzielle Unterstützung an die Beteiligungsgesellschaften zu verhindern oder zu beenden, dann stünden die Erlöse aus den Liegenschaftsverkäufen nicht oder nicht zeitgerecht für die Sanierung der SIGNA zur Verfügung. Diese Überbrückungsfinanzierung war bis zur Bestätigung des Sanierungsplans jedoch nicht gesichert.
Der vorgelegte Sanierungsplan der SIGNA wurde dennoch von einer großen Mehrheit der Gläubiger (und zwar sowohl nach Köpfen als auch nach Forderungskapital) angenommen und letztlich vom Handelsgericht Wien bestätigt.
Der Rekurs der Republik Österreich
Gegen die Bestätigung des Sanierungsplans durch das Gericht erhob die Republik Österreich, die auch Steuerforderungen angemeldet hatte, Rekurs mit im Wesentlichen der Begründung, dass der Sanierungsplan nicht erfüllbar sei. Diesem Rekurs ist das Oberlandesgericht Wien gefolgt und hat die Entscheidung des Handelsgerichts derart abgeändert, dass es die Bestätigung des Sanierungsplans versagte.
Doch wie kann es sein, dass die Republik Österreich, die nach den Medienberichten von einer Gläubigerin der SIGNA zur Schuldnerin der SIGNA wurde (offenbar wurden Steuerschulden mit Steuergutschriften aufgerechnet, woraus sich insgesamt ein Steuerguthaben der SIGNA ergab), Rekurs als Insolvenzgläubigerin erhebt? Und aus welchen Gründen kann das Gericht einem Sanierungsplan, der von einer großen Mehrheit der Gläubiger angenommen wurde, letztlich doch die Bestätigung versagen?
Die rechtliche Begründung
Wie in den Medien kolportiert wurde, wurde die Republik Österreich aufgrund einer Steuergutschrift der SIGNA während des Insolvenzverfahrens von einer Gläubigerin zur Schuldnerin der SIGNA, sie schuldete also der SIGNA Geld. Konkrete Details dazu kenne ich zwar nicht, das ist aber für die Beantwortung der Frage, weshalb der Rekurs der Republik Österreich dennoch nicht zurückgewiesen wurde, gar nicht relevant: Gemäß § 109 Abs 1 IO gilt eine Forderung im Insolvenzverfahren dann als festgestellt, wenn sie vom Insolvenzverwalter anerkannt und von keinem hierzu berechtigten Insolvenzgläubiger bestritten wurde. Genau das war hier der Fall: Die Forderung der Republik Österreich wurde in der Prüfungstagsatzung anerkannt und seither wurde kein Verfahren angestrengt, das auf das Erlöschen der Forderung gerichtet war. Formal bestand daher die Forderung weiter und die Republik Österreich war somit rechtsmittellegitimiert.
Gründe für die Ablehnung des Sanierungsplans
Somit können wir uns der Frage zuwenden, weshalb das Rechtsmittelgericht die Bestätigung des Sanierungsplans versagt hat, obwohl doch die klare Mehrheit der Gläubiger für den Sanierungsplan gestimmt hat?
Der Gesetzgeber hat das Sanierungsplanverfahren einer mehrstufigen strengen Kontrolle durch das Insolvenzgericht unterworfen, das die Interessen aller davon betroffenen Gläubiger – und nicht nur jener, die sich an der Abstimmung beteiligen – zu wahren hat. Das Gericht hat somit von Amts wegen zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für die Bestätigung des Sanierungsplans vorliegen. Bestätigt darf der Sanierungsplan nur werden, wenn:
1. die Entlohnung des Insolvenzverwalters und die Belohnungen der Gläubigerschutzverbände vom Gericht bestimmt sowie gezahlt oder beim Insolvenzverwalter sichergestellt sind,
2. alle fälligen und feststehenden sonstigen Masseforderungen gezahlt sind sowie die bei Gericht oder einer Verwaltungsbehörde geltend gemachten Masseforderungen, von deren Geltendmachung der Insolvenzverwalter in Kenntnis gesetzt wurde, sichergestellt sind und
3., die im Sanierungsplan vorgesehenen Bedingungen für die Bestätigung erfüllt sind.
Wann ist also ein Sanierungsplan unzulässig?
Ein Sanierungsplanantrag ist gemäß § 140 Abs 2 Z 6IO unter anderem dann unzulässig, wenn die Erfüllung des Sanierungsplans offensichtlich nicht möglich sein wird. Von offensichtlicher Unerfüllbarkeit ist etwa bei Sanierungsplananträgen auszugehen, deren Erfüllung mangels Vermögens und Einkommens von der nicht sichergestellten Finanzierung Dritter oder dem völlig ungewissen Ausgang eines Verfahrens abhängt. Liegt ein Unzulässigkeitsgrund vor, so ist dem Sanierungsplan die Bestätigung zu versagen. Eine Verbesserung oder Abänderung ist in diesem Stadium des Verfahrens nicht mehr zulässig, weil bereits über den unzulässigen Sanierungsplan abgestimmt wurde.
Die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts
Und im gegenständlichen Fall kam das Rechtsmittelgericht zum Ergebnis, dass die Erfüllung des Sanierungsplans aktuell „offensichtlich nicht möglich“ ist.
Der im Sanierungsplan als erforderlich qualifizierte Massekredit konnte demnach nicht erlangt werden. Entgegen anderslautender Medienberichte bestand für das Rechtsmittelgericht nach der Aktenlage nur ein Anspruch auf Kreditmittel in Höhe von EUR 50 Mio. Davon müssten aber bereits knapp EUR 27 Mio für Verfahrenskosten aufgebracht werden, sodass das von der SIGNA und der Sanierungsverwalterin für erforderlich gehaltene Finanzierungsziel verfehlt wurde. Auch ein zeitnaher Zugang der erforderlichen Mittel durch Liegenschaftsverkäufe war laut dem Gericht nicht darstellbar. Für das Gericht war daher der vorgeschlagene Sanierungsplan schon deswegen unerfüllbar, weil die von der SIGNA selbst für nötig erachtete Mittelbeschaffung zur Stabilisierung der deutschen Beteiligungsgesellschaften gescheitert war.
Darüber hinaus ging das Oberlandesgericht Wien auch deswegen von einer Unerfüllbarkeit des Sanierungsplans aus, weil die Mittel der SIGNA für die Erfüllung einer dreißigprozentigen Quote nicht ausreichten. Die SIGNA ist stets von einem zu verteilenden Nettovermögen von circa EUR 1,3 Mrd ausgegangen und hat diesen Wert nie nach oben korrigiert. Dies wurde im Wesentlichen wie folgt hergeleitet:
Nach Ansicht des Gerichts beruhte der Sanierungsplan auf sehr optimistischen Annahmen über zukünftige Entwicklungen, die sehr ungewiss sind und weswegen seine rechnerische Erfüllbarkeit einer umso kritischeren Überprüfung bedurfte. Das Gericht setzte sich in der Folge sehr detailliert mit den im Verfahren vorgebrachten Zahlen auseinander.
Demnach hielt das Gericht fest, dass die Sanierungsverwalterin die Höhe der anerkannten Insolvenzforderungen mit etwa EUR 5,8 Mrd angegeben hat. Die Sanierungsverwalterin ging in ihrer Schätzung weiter davon aus, dass nachträglich Forderungen in Höhe von etwa EUR 1 Mrd anerkannt würden. Diesen Betrag nutzte sie auch als Grundlage für ihre Entlohnung.
Auf Basis der Gesamtforderungen von etwa EUR 6,8 Mrd müsste die SIGNA somit EUR 2,04 Mrd aufbringen, um den Sanierungsplan zu erfüllen. Eine Unternehmensberatungsgesellschaft, die eine Stellungnahme nur hinsichtlich der Angemessenheit zu einer kurzfristigeren Verwertung abgegeben hatte, ging unter Berücksichtigung positiver Potenziale davon aus, dass im besten Fall etwa EUR 1,7 Mrd lukriert werden könnten.
Nach Abzug von Krediten, Kosten und operativen Ausgaben würde jedoch nach Ansicht des Gerichts nur etwa EUR 1,64 Mrd übrig bleiben, was weit unter den benötigten EUR 2,04 Mrd läge. Das Gericht stellte fest, dass selbst unter den optimistischen Annahmen der Sanierungsverwalterin nur eine Quote von etwa vierundzwanzig Prozent erreicht werden könnte. Zusätzlich blieben bei dieser Berechnung auch noch andere Ansprüche unberücksichtigt. Daher kam das Gericht zum Ergebnis, dass die dreißigprozentige Sanierungsplanquote selbst unter günstigsten Bedingungen nicht erreichbar ist und der Plan somit offensichtlich unerfüllbar ist.
Ausblick
Das Oberlandesgericht hat den ordentlichen Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof zugelassen. Dieser kann nun binnen vierzehn Tagen eingebracht werden, womit aus meiner Sicht auch zu rechnen ist. Damit wird die Entscheidung wohl in den Herbst vertagt. Sobald die Entscheidung ergangen ist, werde ich wieder berichten.