Das Vorkaufsrecht ist ein zentrales Gestaltungsinstrument in Immobilienverträgen, dessen rechtliche und praktische Bedeutung oftmals unterschätzt wird. Es handelt sich dabei um ein vertraglich eingeräumtes Recht, das es einer bestimmten Person – dem Vorkaufsberechtigten – ermöglicht, eine Immobilie zu denselben Bedingungen zu erwerben, wie sie einem Dritten angeboten wurden. Ziel ist es, den Berechtigten vor einem ungewollten Eigentümerwechsel zu schützen und ihm die Möglichkeit zu geben, selbst in das Geschäft einzutreten.
Die gesetzlichen Grundlagen finden sich in den §§ 1072 bis 1079 ABGB. Diese Bestimmungen können vertraglich abgeändert oder ausgeschlossen werden. Das Vorkaufsrecht zählt zum Bereich des bedingten Kaufs sowie zu den Gestaltungsrechten. Es erlaubt dem Berechtigten, durch einseitige Erklärung ein Vertragsverhältnis zu begründen, ohne dass die Gegenseite zustimmen muss. Dabei bleibt es dem Verpflichteten unbenommen, ob und an wen er verkauft – wird jedoch konkret in der Person des Vorkaufsberechtigten eingeschränkt.
Üblicherweise wird das Vorkaufsrecht unentgeltlich im Rahmen anderer Verträge – etwa Kauf-, Tausch-, Schenkungs-, Miet- oder Pachtverträgen – eingeräumt. Auch letztwillige Verfügungen sind möglich. Bemerkenswert ist, dass dieses Recht nicht auf Immobilien beschränkt ist. Es kann sich ebenso auf bewegliche Sachen, Gesellschaftsanteile, vinkulierte Aktien oder Rechte beziehen. Auch bei Tauschgeschäften, Umstrukturierungen, Treuhandübertragungen oder Schenkungen kann es Anwendung finden.
Für seine rechtliche Durchsetzbarkeit wird das Vorkaufsrecht meist im Grundbuch eingetragen. Die Formvorschriften des Kaufvertrags gelten dabei sinngemäß auch für die Vereinbarung des Vorkaufsrechts. Wird der Hauptvertrag ungültig, erfasst dies regelmäßig auch das Vorkaufsrecht.
Der Vorkaufsfall tritt ein, wenn der Verpflichtete ein verbindliches Angebot eines Dritten vorliegen hat oder bereits einen Kaufvertrag abgeschlossen hat. In diesem Moment muss der Berechtigte schriftlich informiert werden – inklusive aller Vertragsinhalte des Drittkaufs. Ab dieser Mitteilung beginnt die Frist zur Ausübung des Rechts: gesetzlich 24 Stunden bei beweglichen Sachen und 30 Tage bei unbeweglichen – praktisch wird diese Frist jedoch meist verlängert.
Formale Fehler in der Mitteilung können den Fristbeginn verhindern. Die Ausübung selbst erfolgt schriftlich – ohne Notariatsakt – und muss innerhalb der Frist erfolgen. Auch elektronische Übermittlung, etwa per E-Mail, ist möglich, wenn vertraglich vorgesehen. Wird die Sache nicht gegen Geld, sondern durch Tausch oder Einbringung übertragen, bestimmt sich der „Einlösungspreis“ häufig durch ein unabhängiges Gutachten.
Eine Treuhandabwicklung ist nur notwendig, wenn sie vertraglich vorgesehen ist – was in der Praxis jedoch üblich ist. Ohne Vorlage einer Treuhandbestätigung beginnt die Frist zur Ausübung nicht zu laufen. Der Berechtigte kann in der Regel auch Einfluss auf die Wahl des Treuhänders nehmen.
Vor Eintritt des Vorkaufsfalls darf der Verpflichtete nicht über die Immobilie verfügen, sodass das Vorkaufsrecht vereitelt wird. Er ist jedoch nicht verpflichtet, die Immobilie instand zu halten. Ein Aufwandsersatz für Verbesserungen besteht nur bei limitierten Vorkaufsrechten.
Das Vorkaufsrecht bleibt aufrecht, solange es grundbücherlich eingetragen ist. Verzichtet der Berechtigte darauf oder übt er es nicht aus, erfolgt eine amtswegige Löschung im Grundbuch. Eine ausdrückliche schriftliche Erklärung über die Nichtausübung ist dafür erforderlich.
Schließlich hängt die genaue Ausgestaltung – einschließlich etwaiger Ausnahmen – ausschließlich von der vertraglichen Regelung ab. Typische Ausnahmen sind Übertragungen innerhalb eines Konzerns oder an nahe Angehörige, die jedoch im Vertrag festgehalten sein müssen.
Fazit: Das Vorkaufsrecht ist ein komplexes Rechtsinstrument, das klare vertragliche Vereinbarungen, präzise Einhaltung formaler Vorgaben und eine sorgfältige Umsetzung erfordert. Nur so kann seine Wirksamkeit in der Immobilienpraxis gewährleistet werden.