Mehrere Lebensmittel, eine Strafe

Verwaltungsstrafe LMIV Nährwertdeklaration

Kumulationsprinzip

Generell gilt im Verwaltungsstrafrecht das "Kumulationsprinzip": Bei Begehung mehrerer Verwaltungsübertretungen wird jede einzelne bestraft und keine Gesamtstrafe gebildet. Vorgelagert stellt sich in solchen Fällen aber die Frage, ob mehrere Handlungen überhaupt separate Verwaltungsübertretungen darstellen und damit die Strafen kumuliert werden oder ob sie nur als eine einzige, einmal zu bestrafende Verwaltungsübertretung anzusehen sind. Nach der Rechtsprechung des VwGH stellt eine wiederholte Gesetzesverletzung eine einzige Verwaltungsübertretung dar, wenn (i) die Begehungsform gleichartig ist, (ii) die äußeren Begleitumstände ähnlich sind, (iii) ein erkennbarer zeitlicher Zusammenhang besteht und (iv) eine gesamtheitliche Sorgfaltswidrigkeit des Täters vorliegt. Ob dies jeweils der Fall ist, muss in der jeweiligen Situation unter Auslegung der gesetzlichen Vorschriften geprüft werden.

Die diesbezügliche Rechtslage hat der VwGH im Februar 2020 im lebensmittelrechtlichen Bereich weiter präzisiert (VwGH 27.02.2020, Ra 2019/10/0155): Das vom Verfahren betroffene Unternehmen hatte am selben Tag zwei ähnliche Produkte, "Magertopfen 2%" und "Speisetopfen 20%", in Verkehr gebracht. Bei beiden Produkte wurden die gleichen kennzeichnungsrechtlichen Verstöße festgestellt, u.a. das Fehlen der Nährwertdeklaration und die Unterschreitung der Mindestschriftgröße. Unter Anwendung des Kumulationsprinzips verhängten die Verwaltungsbehörde und diese bestätigend das Landesverwaltungsgericht für die beiden Produkte separate Strafen, weil – im Kern – es sich eben um unterschiedliche Produkte handle.

Der VwGH hat die Straferkenntnisse in der genannten Entscheidung als rechtswidrig aufgehoben. Im konkreten Fall – Inverkehrbringen von zwei unterschiedlichen Topfen-Sorten am selben Tag – waren nach Ansicht des VwGH die vier oben genannten Kriterien erfüllt; trotz der unterschiedlichen Produkte handelt es sich um ein und dieselbe Verwaltungsübertretung. Der Beschuldigte hat daher jeweils nur eine einzige Verwaltungsübertretung begangen, sodass er auch nur einmal zu bestrafen war. Die Entscheidung des VwGH ist wichtig, weil klargestellt wird, dass auch Verstöße betreffend unterschiedliche Produkte – und über einen Größenschluss unterschiedliche Chargen – eine Handlungseinheit darstellen können.