Aufgriffsrechte in GmbH-Gesellschaftsverträgen in der Insolvenz

6 Ob 64/20k

Häufig stellen sich GmbH-Gesellschafter die Frage, was mit der Beteiligung eines Mitgesellschafters geschieht, wenn dieser plötzlich insolvent wird: Kann man verhindern, dass ein unbekannter Dritter die Beteiligung erwirbt und plötzlich neuer Mitgesellschafter wird? Diese Frage ist auch durchaus berechtigt, zumal ein Gesellschafter in einem Insolvenzverfahren grundsätzlich die Verfügungsbefugnis über sein Vermögen (einschließlich der Beteiligung) verliert und für eine Veräußerung des Geschäftsanteils auf die Mitwirkung bzw. die Zustimmung eines Insolvenzverwalters angewiesen ist.

Üblicherweise möchten GmbH-Gesellschafter unter sich bleiben, sodass zumeist Aufgriffsrechte vereinbart werden, nach denen etwa im Insolvenzfall eines (Mit)Gesellschafters die übrigen (Mit)Gesellschafter dessen Beteiligung zu einem bestimmten oder bestimmbaren Preis erwerben können. Höchstgerichtliche Rechtsprechung dahingehend, ob derartige Aufgriffsrechte im Insolvenzfall tatsächlich Bestand haben und die Gesellschafter die Beteiligung des insolventen Gesellschafters auch tatsächlich erwerben können, gab es lange Zeit keine.

Neue OGH Entscheidung 6 Ob 64/20k

In einer mit Spannung erwarteten Entscheidung des Obersten Gerichtshofs („OGH“) stellte dieser nun klar, dass Aufgriffsrechte auch für den Insolvenzfall in Gesellschaftsverträgen einer GmbH unter bestimmten Umständen wirksam vereinbart werden können.

Der OGH führte in diesem Zusammenhang aus, dass sich ein bestellter Insolvenzverwalter nicht auf das Privileg des § 26 Abs. 3 IO stützen kann, wonach dieser nicht an „Anträge“ des Schuldners gebunden ist, um das Aufgriffsrecht zu entkräften. Dies begründete der OGH im Wesentlichen damit, dass Aufgriffsrechte nicht isoliert zu betrachten sind, sondern im Lichte des gesamten Geschäftsanteils als Bündel von Rechten und Pflichten und somit das Aufgriffsrecht untrennbarer Bestandteil des Geschäftsanteils ist.

In diesem Sinne hat der OGH nunmehr die gängige Vertragspraxis anerkannt und ausgesprochen, dass Aufgriffsrechte unter bestimmten Voraussetzungen auch für den Fall der Insolvenz eines Mitgesellschafters im Gesellschaftsvertrag einer GmbH vereinbart werden können.

Gläubigerschutz gewährleisten

Der OGH stellte klar, dass derartige Aufgriffsrechte nicht auf eine Schädigung der Gläubiger des insolventen Gesellschafters hinauslaufen dürfen. Unter dem Gesichtspunkt des Gläubigerschutzes müssen daher das freiwillige Ausscheiden und das Ableben eines Gesellschafters einerseits sowie die Exekution bzw. Insolvenz andererseits zu gleichen Aufgriffsbedingungen erfolgen.

Eine Reduktion des Aufgriffspreises unter den Verkehrswert des Geschäftsanteils in den Fällen der Exekution und Insolvenz ist nur dann zulässig, wenn eine solche für jede Konstellation des freiwilligen und unfreiwilligen Ausscheidens des Gesellschafters vereinbart wird.

Aufgriffspreis darf nicht zu gering sein

In der zugrundeliegenden Entscheidung hat der OGH das vereinbarte Aufgriffsrecht im Anlassfall dennoch für ungültig erklärt und die Eintragung versagt, weil der Aufgriffspreis im Insolvenzfall unter dem bei anderen Aufgriffsmöglichkeiten, wie etwa dem Todesfall oder des freiwilligen Ausscheidens, lag. Dies stellte nach Ansicht des OGH eine sittenwidrige Gläubigerbenachteiligung dar, sodass die Eintragung verweigert wurde.

Im Ergebnis ist die OGH-Entscheidung mit ihren Kriterien aber sicherlich zu begrüßen und wird in der Zukunft zu mehr Rechtssicherheit in der kautelarjuristischen Ausgestaltung von Aufgriffsrechten zwischen GmbH-Gesellschaftern für den Fall der Insolvenz eines (Mit)Gesellschafters führen.

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