Aufgriffsrechte in der Insolvenz des Mitgesellschafters

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Viele GmbH-Gesellschaftsverträge sehen in der Insolvenz des Mitgesellschafters ein Aufgriffsrecht der weiteren Mitgesellschafter vor. Damit soll die bestehende Gesellschafterstruktur möglichst unverändert bleiben. Die Rolle der Aufgriffsrechte in der Insolvenz ist jedoch in der Lit und Rsp umstritten. In einer jüngst ergangenen Entscheidung hat das OLG Linz (6 R 95/19m) sich abermals gegen die Wirksamkeit einer solchen „Insolvenzklausel“ entschieden.

Sachverhalt

Eine GmbH hatte mittels Generalversammlungsbeschluss ihren Gesellschaftsvertrag dahingehend abgeändert, dass zugunsten eines Gesellschafters bei Insolvenz der Mitgesellschafter ein Aufgriffsrecht festgelegt wurde. Für die Ermittlung des Aufgriffspreises sollte das „Wiener Verfahren“ herangezogen werden, wobei ein Abschlag von 50% des so festgestellten Wertes vorgesehen war. Das Verfahren sollte auch für andere Aufgriffstatbestände zur Anwendung gelangen, jedoch war nicht immer der gleich hohe 50%-Abschlag vorgesehen. Das Firmenbuchgericht erachtete die Klausel des Aufgriffsrechts in der Insolvenz der Mitgesellschafter als sittenwidrig und verwehrte die Eintragung. Auch das Rekursgericht – das OLG Linz – schloss sich der Meinung des Firmenbuchgerichts an und der Rekurs blieb erfolglos. Jedoch ließ es den Revisionsrekurs zu, da der OGH das Verhältnis zu § 26 Abs 3 IO noch nicht abschließend beantwortet hatte.

Konkrete Rechtsfrage

Fraglich war, ob § 26 Abs 3 IO in Bezug auf das Aufgriffsrecht anwendbar sei. Demgemäß ist der Insolvenzverwalter an „Anträge des Schuldners, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht angenommen worden sind, […] nicht gebunden […]“. Konkret wirft dies die Frage auf, ob ein gesellschaftsvertraglich verankertes Aufgriffsrecht als Antrag iSd § 26 Abs 3 IO zu qualifizieren sei. Anzumerken dabei ist, dass der Begriff des Antrags sich auf Offerten und Angebote iSd § 862 ABGB bezieht.

Praktische Relevanz

Die praktische Relevanz der zugrundeliegenden Rechtsfrage ergibt sich aus der kautelarjuristischen Praxis. Ein Aufgriffsrecht der Mitgesellschafter ist gang und gäbe, da das GmbH-Recht für die Insolvenz des Gesellschafters keine Regelung vorsieht. Daraus folgt, dass der Insolvenzverwalter das Verfügungsrecht über den Geschäftsanteil erhält und diesen auch bspw frei verkaufen kann. Dies widerstrebt jedoch in den meisten Fällen den Mitgesellschaftern, und das Aufgriffsrecht soll hierbei verhindern, dass neue Gesellschafter eintreten.

Zulässigkeit

O
bwohl das OLG sich gegen die Eintragung des Aufgriffsrechtes im Gesellschaftsvertrag entschieden hat, ist über deren generelle Zulässigkeit noch keine Aussage getroffen worden. Die gegenständliche Entscheidung wurde nämlich vor allem mit der Begründung, dass die Bewertung des Aufgriffspreises auf keinem betriebswirtschaftlich anerkannten Verfahren beruht, für sittenwidrig befunden.

Hingegen befürwortet der überwiegende Teil der Lehre die Zulässigkeit und argumentiert hierbei mit der Gesetzessystematik der §§ 21 ff IO und des § 76 Abs 4 GmbHG. Besonders § 76 Abs 4 GmbHG zeigt, dass Veräußerungsbeschränkungen auch in der Exekution aufrechtbleiben. Insofern scheint es nur schlüssig, einen Interessenausgleich, wie er zwischen betreibenden Gläubigern und Vinkulierungsberechtigten vorgenommen wird, auch bei Aufgriffsrechten der Mitgesellschafter im Insolvenzfall anzuwenden. Zudem erschließt sich uE nicht, warum Aufgriffsrechte bei vinkulierten Anteilen möglich seien sollen, ohne Vinkulierung jedoch nicht, verfolgen beide Rechtsinstrumente in den meisten Fällen doch den gleichen Zweck.

Schließlich wird argumentiert, dass der GmbH-Geschäftsanteil ein zusammenhängendes Bündel an Rechten und Pflichten sei, weshalb nicht einzelne Rechte und Pflichten des Geschäftsanteils isoliert herausgelöst und abgeändert werden können sollen. Der Geschäftsanteil soll als Ganzes betrachtet werden und sollte nicht in Einzelteile zerlegbar sein und ist somit nicht situationsabhängig unterschiedlich ausgestaltet, je nachdem ob der Gesellschafter insolvent ist oder nicht.

Der OGH selbst, hat zu dieser Rechtsfrage noch nicht abschließend Stellung bezogen, so hatte er sich schon mit solchen Klauseln zu beschäftigen, diese aber stets mit der Begründung, dass der Abfindungspreis sittenwidrig oder das Bewertungsverfahren ungeeignet sei, für unzulässig erklärt. Die Prüfung der Anwendbarkeit von § 26 Abs 3 IO hat der OGH jedoch bis dato vermieden und ist nicht näher darauf eingegangen.

Doch selbst bei Sittenwidrigkeit wegen Gläubigerschädigung ist die Rsp nicht einheitlich, so deutet der OGH in mehreren Entscheidungen obiter an, dass ein Abfindungspreis unter dem Schätzwert grds möglich sei, sofern der Preis sich nicht von demjenigen in vergleichbaren Fällen unterscheide. Hingegen könnte die vorliegende OLG-Entscheidung weitaus strenger sein, da Gläubiger jedenfalls den Schätzwert im Zeitpunkt des Aufgriffs (Verkehrswert) erhalten müssen.

Zukünftige Entwicklung

Festgehalten werden kann, dass zumindest die Leistung des Schätzwertes (Verkehrswertes) oder ein betriebswirtschaftlich anerkanntes Bewertungsverfahren für ein wirksames Aufgriffsrecht eines GmbH-Geschäftsanteiles von Nöten sein wird, um ein rechtssicheres Aufgriffsrecht dem Grunde nach einzuräumen.  Wünschenswert wäre es freilich, wenn der OGH explizit Stellung zur Anwendbarkeit von § 26 Abs 3 IO in Bezug auf Aufgriffsrechte beziehen würde, zumal auch die zweitinstanzliche Rsp innerhalb  der verschiedenen OLG-Sprengel divergiert. In der kautelarjuristischen Praxis würde sich im Gesellschaftsvertrag selbst ein ausdrücklicher Verweis dahingehend anbieten, dass das Aufgriffsrecht im Insolvenzfall des Mitgesellschafters nicht als Antrag gemäß § 26 Abs 3 IO zu verstehen sei – zumindest ein Argument mehr, das im Streitfall mit dem Masseverwalter, welcher über den Geschäftsanteil des Mitgesellschafters verfügt, für eine vergleichsweise Bereinigung der Streitigkeit ins Rennen geführt werden kann.

Thomas Trettnak / Marcus Lusar