Wettbewerbsverbot und Verbot der Aneignung von Geschäftschancen schützen eine GmbH nicht (immer) gegen ihren Alleingesellschafter-Geschäftsführer

GmbH Wettbewerbsverbot Geschäftschance Einlagenrückgewähr Kapitalerhaltung Treuhänder Due Diligence

6 Ob 71/21s

Für den Alleingesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH ist es grundsätzlich erlaubt, mit seiner GmbH in Wettbewerb zu treten. Grenzen setzt das Verbot der Einlagenrückgewähr.

Eine GmbH hatte sich um den Erwerb einer Liegenschaft bemüht und auch schon eine Due Diligence-Prüfung durchgeführt. Letztlich kaufte aber der Alleingesellschafter und Geschäftsführer der GmbH die Immobilie für sich selbst.

In der Entscheidung 6 Ob 71/21s hatte der Oberste Gerichtshof zu beurteilen, ob der Alleingesellschafter und Geschäftsführer mit dieser Vorgangsweise gegen das GmbH-rechtliche Wettbewerbsverbot für Geschäftsführer oder – wegen Aneignung einer Geschäftschance der GmbH – gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr verstoßen habe.

Dabei kam der Oberste Gerichtshof zu folgenden Ergebnissen:

- Geschäftsführern ist es grundsätzlich ohne Einwilligung der GmbH untersagt, Geschäfte in deren Geschäftszweigen für eigene oder fremde Rechnung zu machen. Des Weiteren dürfen sie sich nicht bei einer Gesellschaft des gleichen Geschäftszweigs als persönlich haftende Gesellschafter beteiligen oder eine Stelle im Vorstand oder Aufsichtsrat oder als Geschäftsführer bekleiden.

- Eine abweichende Genehmigung durch Beschluss der Gesellschafter der GmbH ist aber immer möglich und kann auch stillschweigend erteilt werden.

- Der geschäftsführende Alleingesellschafter einer GmbH unterliegt keinem Wettbewerbsverbot, weil in einem solchen Fall ein von den Interessen des Alleingesellschafter-Geschäftsführers abweichendes Gesellschaftsinteresse, welches geschützt werden soll, nicht besteht. Darüber hinaus kann auch von einer stillschweigenden Zustimmung zur Tätigkeit ausgegangen werden.

- Im Ergebnis gilt das GmbH-rechtliche Wettbewerbsverbot nicht für Alleingesellschafter-Geschäftsführer, und zwar selbst dann nicht, wenn – wie im vorliegenden Fall – 50 % der Anteile für einen Treugeber gehalten wurden und die Treuhandvereinbarung ein Wettbewerbsverbot enthält. Dieses Verbot im Treuhandvertrag schlägt nicht auf die Gesellschaft durch.

- Die (unentgeltliche) Überlassung von Geschäftschancen kann gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr verstoßen, aber nur dann, wenn der Geschäftschance bereits ein Marktwert zukommt. Die bloße Tätigung von frustrierten Aufwendungen (z.B. für eine Due Diligence Prüfung) durch die GmbH reicht für einen Marktwert nicht aus.