Neues zum Aufsichtsrat im Konzerngefüge

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Zustimmungspflicht

Wie weit muss der Aufsichtsrat einer Konzern-Obergesellschaft seine Überwachungspflichten im Konzern auch betreffend der Aktivitäten einer Konzern-Tochtergesellschaft ausüben?

Um diese Frage zu beantworten, nützte der Oberste Gerichtshof (OGH) folgenden Fall: Ein Manager war Vorstandsmitglied einer Holdinggesellschaft und gleichzeitig auch Vorstandsmitglied ihrer Tochtergesellschaft. Beide Gesellschaften waren Aktiengesellschaften. Der Manager unterfertigte namens der Tochtergesellschaft eine Patronatserklärung zu Gunsten einer Enkelgesellschaft. Die Ausstellung dieser Patronatserklärung wäre auf Ebene der Konzernobergesellschaft durch deren Aufsichtsrat zu genehmigen gewesen. In weiterer Folge schlitterten Tochter- und Enkelgesellschaft in die Insolvenz. Die Konzernmutter klagte den Manager auf Schadenersatz: hätte er die Ausstellung der Patronatserklärung dem Aufsichtsrat zur Genehmigung vorgelegt, hätte der Aufsichtsrat seine Zustimmung verweigert; die Insolvenz der Tochter und der Enkelin hätte diesfalls vermieden werden können (weil der Enkelin ohne die Patronatserklärung der Tochter die Finanzierung gefehlt hätte, um ein Projekt umzusetzen, dessen Scheitern die Insolvenzen auslöste).

Der OGH hielt fest, dass im Verhältnis des Managers zum Aufsichtsrat der Konzernobergesellschaft eine Pflichtverletzung vorlag, und begründete dies wie folgt:

- Den Vorstand der Muttergesellschaft eines Konzerns trifft eine gewisse Konzernleitungspflicht.

- Bei der Frage, wie genau (straffer oder lockerer) diese Konzernleitung auszusehen hat, besteht ein gewisses Ermessen im Sinne der Business Judgement Rule.

- Der Aufsichtsrat einer AG hat die Pflicht, die Geschäftsführung zu überwachen. Im Konzern erweitert sich diese Überwachungstätigkeit um die Überwachung der Konzernleitung des Vorstands.

- § 95 Abs 5 AktG regelt jene Geschäfte, die nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats vorgenommen werden dürfen. Diese Regelung betrifft zwar grundsätzlich nur die jeweilige AG selbst; für Konzernobergesellschaft kann aber eine Ergänzung durch konzernrelevante Geschäfte eintreten. Eine solche Ergänzung kann ausdrücklich oder durch Interpretation erfolgen.
- Ausdrücklich kann die Ergänzung durch den Aufsichtsrat selbst erfolgen. Dieser muss den Zustimmungsvorbehalt auf Maßnahmen von Untergesellschaften erstrecken, wenn diese Maßnahmen wesentliche Auswirkungen auf den Gesamtkonzern, insbesondere auf die Muttergesellschaft, haben.

- Auch wenn es keine ausdrückliche Ergänzung gibt, kann die Erstreckung des Zustimmungsvorbehalts auf Konzernsachverhalte durch Interpretation geboten sein. Die Interpretation hat sich am einerseits am Zweck des Zustimmungsvorbehalts und andererseits an der Bedeutung der Maßnahme zu orientieren. Für die Bedeutung der Maßnahme ist entscheidend, ob sie unmittelbare wirtschaftliche oder sonstige relevante Auswirkungen auf die Muttergesellschaft und den Konzern hat.

- Im Ergebnis ist daher ein konzernrelevantes, zustimmungspflichtiges Geschäft auf Ebene einer Konzerngesellschaft auch vom Aufsichtsrat der Konzernobergesellschaft zu genehmigen. Konzernrelevanz ist in der Regal anzunehmen, wenn sich Maßnahmen einer Tochtergesellschaft auch auf die Vermögens- und Ertragslage der Muttergesellschaft nicht bloß unbedeutend auswirken. Der Aufsichtsrat muss das Geschehen im Konzern und in den Konzerngesellschaften so weit im Auge behalten, als das Geschehen für die Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage der Konzernobergesellschaft von Bedeutung ist.

- Wenn der Aufsichtsrat der Obergesellschaft die Zustimmung zu einem Geschäft verweigert, muss der Vorstand der Muttergesellschaft darauf hinwirken, dass die Maßnahme in der Untergesellschaft unterbleibt. Erstreckt sich ein Zustimmungsvorbehalt ausdrücklich oder durch Interpretation auch auf Konzerngesellschaften, dann hat der Vorstand der Obergesellschaft dafür zu sorgen, dass Maßnahmen der Untergesellschaft, die der Zustimmung des Aufsichtsrats der Obergesellschaft unterliegen, auch tatsächlich nur mit dessen Billigung durchgeführt werden können.

Interessant ist auch, was der OGH zur Frage von Weisungen im Konzern festhält. Ist eine Konzerngesellschaft als AG organisiert, ist ja ihr Vorstand durch gesetzliche Anordnung weisungsfrei gestellt. Der OGH hält aber – richtiger Weise – fest, dass es dennoch übliche Praxis ist, dass den Vorständen solcher Konzern-AGs Weisungen durch die Konzernleitung erteilt, und diese Weisungen de facto auch befolgt werden. Dazu merkt der OGH an, dass solche Weisungen im Konzern sicherlich nicht nichtig sind, solange sie den Vorstand der Untergesellschaft nicht an der Wahrung des Unternehmensinteresses der beherrschten Gesellschaft hindern.