Delisting, Squeeze-out, eigene Aktien und Rechtsmissbrauch

Delisting Squeeze-out eigene Aktien Rechtsmissbrauch GesAusG

6 Ob 56/20h

Im Jahr 2017 ist das Delisting (Beendigung der Börsenotierung) der bis dahin börsenotierten BWT AG, eines oberösterreichischen Wassertechnologie-Unternehmens, erfolgt. In seiner mittlerweile dritten Entscheidung zu diesem Delisting hat der Oberste Gerichtshof (OGH) jüngst wichtige Klarstellungen zu Fragen des Haltens eigener Aktien und des Gesellschafterausschlusses (Squeeze-out) getroffen.

Das Delisting der BWT AG wurde letztlich durch einen Squeeze-out nach dem Gesellschafter-Ausschlussgesetz (GesAusG) bewerkstelligt. Gemäß GesAusG kann ein Mehrheitsaktionär, der mindestens 90% des Grundkapitals einer AG hält, den Ausschluss aller Minderheitsaktionäre (Squeeze-out) aus der AG herbeiführen. Die Aktien der Minderheit werden automatisch auf den Hauptaktionär übertragen. Durch die Vereinigung aller Aktien in einer Hand erlischt die Börsenotierung; es kommt also zu einem „kalten Delisting“. Die ausgeschlossenen Minderheitsaktionäre erhalten für ihre Aktien eine angemessene Barabfindung.

In der Entscheidung vom 23.04.2020, 6 Ob 56/20h, nützte der OGH den Squeeze-out und das Delisting der BWT AG unter anderem für folgende Aussagen:

- Bei der Berechnung der 90%-Schwelle für den Squeeze-out sind nach dem GesAusG eigene Aktien, die die AG an sich selbst hält, auszublenden. Daher wird für einen Mehrheitsaktionär das Erreichen der 90%-Schwelle erleichtert, wenn die AG eigene Aktien erwirbt und behält. Der OGH betont aber, dass es grundsätzlich zulässig ist, dass eine AG durch Rückkauf des Streubesitzes (und allenfalls folgende Aktieneinziehung) ein Delisting vorbereitet. Auch der Umstand, dass die AG zulässiger Weise erworbene Aktien über einen längeren Zeitraum behält, führt nicht zur Rechtswidrigkeit. Da das Aktiengesetz nämlich präzise festlegt, unter welchen Umständen die AG die von ihr gehaltenen eigenen Aktien veräußern muss, folgt im Umkehrschluss, dass eben keine Veräußerungspflicht besteht, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für eine solche Pflicht nicht erfüllt sind. Eine missbräuchliche Gestaltung kann nur dann angenommen werden, wenn der Hauptaktionär die Gesellschaft veranlasst, eigene Aktien gesetzwidrig – insbesondere unter Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot – zu erwerben, oder wenn die hergestellten Voraussetzungen für den Squeeze-out unmittelbar nach dem Squeeze-out-Beschluss wieder rückgängig gemacht werden sollen.

- Zur Frage, ob die gemäß GesAusG gebotene Ausblendung eigener Anteile verfassungskonform sei, verweist der OGH auf den Beschluss des VfGH vom 01.10.2019, G-104-105/2019. In diesem Beschluss hält der VfGH fest: „Die […] Neutralisierung eigenerAnteile bei der Berechnung der Beteiligungsschwelle von 90% am Nennkapital der Zielgesellschaft steht im Einklang mit der allgemeinen Wertung im Gesellschaftsrecht, dass eigene Anteile […] bei der Willensbildung über Umstrukturierungsmaßnahmen keine Rolle spielen sollen […].“‎

- Der OGH stellt weiters die Rollenverteilung bei Vorbereitung eines Squeeze-out klar:  Wird zum Zweck der Ermittlung der angemessenen Barabfindung ein Bewertungsgutachten erstellt, ist dieses Gutachten den Aktionären vor der Hauptversammlung zugänglich zu machen. Diese Vorschrift verpflichtet aber weder Hauptaktionär noch Gesellschaft, ein solches Gutachten tatsächlich einzuholen; es ist auch zulässig, die angemessene Barabfindung auf Basis unternehmensinterner Berechnungen festzulegen. Schon aus diesem Grund musste die von einzelnen Minderheitsaktionären behauptete Befangenheit des gegenständlich befassten Bewertungsgutachters ins Leere gehen: Da die Berechnung der angemessenen Barabfindung auch unternehmensintern und ohne Befassung eines externen Gutachters erfolgen darf, kann es auch kein Erfordernis der Unabhängigkeit und Unbefangenheit eines allenfalls beschäftigten Gutachters geben. Von der Funktion eines allfälligen Bewertungsgutachters ist die des – jedenfalls notwendigen – gerichtlich bestellten Prüfers zu unterscheiden: Dieser sachverständige Prüfer hat zu erklären, ob er die ermittelte Barabfindung für angemessen hält. Dazu muss der Prüfer aber grundsätzlich – außer bei von ihm festgestellten Mängeln – keine eigene Unternehmensbewertung durchführen. Es genügt, wenn der Prüfer die vorgelegte Bewertung auf Plausibilität – insbesondere hinsichtlich der inhaltlichen Prämissen und der ausgewählten und angewandten Bewertungsmethoden – überprüft.