Vorschlag über eine neue Produkthaftungsrichtlinie, KOM (2022)

Aufgrund der zunehmenden Bedeutung neuer digitaler Technologien, einschließlich künstlicher Intelligenz (KI), hat sich die Herstellung und der Vertrieb von Produkten in den letzten knapp 40 Jahren erheblich geändert, sodass eine umfassende Überarbeitung der verschuldensunabhängigen Haftung für fehlerhafte Produkte erforderlich geworden ist. Am 28. September 2022 hat die Europäische Kommission ihren Entwurf für eine neue  Richtlinie über die Haftung für fehlerhafte Produkte veröffentlicht, welche die aktuelle Produkthaftungsrichtlinie 85/374/EWG aus dem Jahre 1985 vollständig ersetzen soll. Derzeit ist das Verfahren weiterhin anhängig und der Rat berät über den vorgelegten Entwurf.

Hier nun in aller Kürze die wichtigsten Neuerungen auf einen Blick:

  • Im Richtlinienentwurf soll klargestellt werden, dass Software und digitale Produktionsdateien als "Produkte" iSd neuen Produkthaftungsrichtlinie gelten. Diese Klarstellung beendet die Diskussion darüber, ob Software als "bewegliche Sache" angesehen werden kann.
  • Hinsichtlich des Begriffs „Fehlerhaftigkeit“ sieht der Richtlinienentwurf vor, dass ein Mangel auch dann vorliegen soll, wenn notwendige Software-Updates zur Behebung von Cybersicherheitsrisiken fehlen. Zudem können behördliche Maßnahmen wie Rückrufaktionen auf die Fehlerhaftigkeit eines Produktes hinweisen. Bei Produkten mit hohem Schadensrisiko (zB lebenserhaltende Medizinprodukte) kann ein Produktfehler vermutet werden, wenn sie zu einer nachweislich fehlerhaften Serie von Produkten gehören.
  • Der Richtlinienentwurf erweitert den ersatzfähigen Schaden auf den Verlust und die Verfälschung nicht ausschließlich geschäftlich genutzter Daten. Dies schließt zB auch die Kosten für die Rettung und Wiederherstellung von Daten mit ein. Zudem sollen die bisherigen Selbstbehalte und Haftungshöchstgrenzen entfallen.
  • Beweiserleichterung für Geschädigte: Der Entwurf sieht nunmehr vor, dass unter bestimmten Voraussetzungen sowohl die Fehlerhaftigkeit des Produkts als auch der Kausalzusammenhang zwischen dem Produktfehler und dem Schaden widerleglich vermutet wird. Dies ist der Fall, wenn die Beweisführung aufgrund der technischen oder wissenschaftlichen Komplexität übermäßig schwer ist und der Kläger ausreichende Beweise dafür vorgelegt hat, dass das Produkt zum Schaden beigetragen hat und mit hoher Wahrscheinlichkeit fehlerhaft war. Der Beweis des Gegenteils steht freilich offen.

Es bleibt abzuwarten, wie genau die endgültige Fassung der neuen Produkthaftungsrichtlinie und vor allem die spätere Umsetzung in nationales Recht aussehen wird. Der AI Legal Lens Blog hält Sie auf dem Laufenden.