Geschäftsführerhaftung: Recht des Geschäftsführers auf Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Abgabenfestsetzung

Autor

Dr. Benjamin Twardosz, LL.M.

Dr. Benjamin Twardosz, LL.M.

CV | E-Mail

Am 27. Dezember 2021 entschied das Bundesfinanzgericht (BFG, 27.12.2021, RV/7101196/2021), dass ein Geschäftsführer, der für die Steuern der Gesellschaft haftet, unabhängig von einem solchen Recht der Gesellschaft, berechtigt ist, im eigenen Namen die Wiederaufnahme des Veranlagungsverfahrens zu beantragen.

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer war Geschäftsführer einer GmbH in Liquidation. Am 16. Februar 2017 erhielt die GmbH den Umsatzsteuerbescheid und den Körperschaftsteuerbescheid für das Jahr 2015; mangels Abgabe von Steuererklärungen wurden die Besteuerungsgrundlagen geschätzt. Die GmbH wurde im Firmenbuch gelöscht.

Mit Bescheid vom 26. April 2019 wurde der Beschwerdeführer als Vertreter der Gesellschaft mit beschränkter Haftung für die Umsatzsteuer des Unternehmens zur Haftung herangezogen. Am 4. Juli 2019 wurden die Umsatzsteuer- und Körperschaftsteuererklärungen nachgereicht. Am 29. Oktober 2019 wurde im Namen der GmbH ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich des Umsatzsteuerbescheids und des Körperschaftsteuerbescheids unter Bezugnahme auf die neu eingereichten Steuererklärungen gestellt. Das Finanzamt wies diesen Antrag mit Bescheid vom 17. August 2020 als unbegründet zurück. Mit Schriftsatz vom 8. Juni 2020 stellte der Beschwerdeführer über seinen steuerlichen Vertreter nunmehr im eigenen Namen den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens unter Bezugnahme auf den Wiederaufnahmeantrag vom 28. Oktober 2019 und beantragte die Neufestsetzung der Steuer für das Jahr 2015.

Das Finanzamt lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 22. Juli 2020 ab. Es argumentierte, dass der Antragsteller nicht berechtigt sei, einen solchen Antrag zu stellen. Der Beschwerdeführer erhob dagegen Beschwerde.

Entscheidung

Die Beschwerde wurde als unbegründet abgewiesen, soweit sich der Antrag auf Wiederaufnahme auf die Körperschaftssteuer bezieht, da der Geschäftsführer nicht für die Körperschaftssteuer zur Haftung herangezogen worden war. Der Beschwerde wurde jedoch insoweit stattgegeben, als sich der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auf die Umsatzsteuer bezog. Gemäß § 303 Abs. 1 BAO kann ein mit Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag der Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn u.a. Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens zu einer anderen Entscheidung im Bescheid geführt hätte. Die "Partei" ist berechtigt, einen solchen Wiederaufnahmeantrag zu stellen. Der Parteibegriff des § 303 BAO ist jener des § 78 BAO, nämlich derjenige, der als Abgabenschuldner in Betracht kommt (§ 77 BAO).

Da im vorliegenden Fall der Beschwerdeführer persönlich zur Haftung herangezogen worden war, und ein Haftungsbescheid erlassen worden war, wird er im Hinblick auf einen Antrag auf Wiederaufnahme in Bezug auf die GmbH im Umfang seiner persönlichen Haftung (Umsatzsteuer) als "Partei" betrachtet.

Dies ergibt sich auch aus § 248 BAO, wonach auch Personen, die für eine Abgabe haften, eine Beschwerde gegen den Abgabenbescheid einbringen können. Was § 248 BAO ausdrücklich für das Beschwerderecht vorsieht, gilt nach Ansicht des BFG auch für andere Rechtsbehelfe, wie etwa einen Antrag auf Wiederaufnahme des Abgabenverfahrens.