DEBRA: Richtlinienentwurf der EU Kommission zur Reduzierung von steuerbedingten Verschuldungsanreizen (debt-equity-bias)

Die Europäische Kommission hat am 11. Mai 2022 einen Entwurf einer Richtlinie mit neuen Regelungen veröffentlicht, welche der steuerlichen Begünstigung von Fremdkapital im Vergleich zu Eigenkapital entgegenwirken sollen.

Der Richtlinienentwurf steht vor dem Hintergrund, dass Fremdkapitalkosten auf Ebene des Kapitalnehmers (mit Ausnahmen) steuerlich abzugsfähig sind, während dies für Eigenkapitalkosten (Gewinnausschüttung, Dividende) nicht gilt. Dadurch besteht nach Ansicht der Kommission für Unternehmen derzeit ein Anreiz, eine Finanzierung eher durch die Aufnahme von Fremdkapital (Kredit, Darlehen) vorzunehmen, als durch die Aufnahme von Eigenkapital (zB durch eine Kapitalerhöhung).

Mit dem Vorschlag der EU Kommission sollen (aus steuerlicher Sicht) gleiche Wettbewerbsbedingungen zwischen Eigenkapital und Fremdkapital geschaffen werden und die Besteuerung als Einflussfaktor für die Entscheidung zwischen Fremdkapital und Eigenkapital beseitigen.

Der Vorschlag sieht eine Abzugsfähigkeit durch einen Freibetrag für Eigenkapital vor. Gleichzeitig soll aber auch die Abzugsfähigkeit des Zinsabzuges auf Fremdkapital eingeschränkt werden.

Vom Anwendungsbereich des Richtlinienentwurfs umfasst sind alle Steuerpflichtigen, die in einem oder mehreren EU-Mitgliedstaaten körperschaftsteuerpflichtig sind, einschließlich Betriebsstätten in einem oder mehreren EU-Mitgliedstaaten eines Steuerpflichtigen, der in einem Drittland steuerlich ansässig ist. Bestimmte Finanzunternehmen sind jedoch ausgenommen, z. B. Kreditinstitute, Wertpapierfirmen, AIFs, AIFMs, OGAWs, OGAW-Verwaltungsgesellschaften, und weitere).

Freibetrag für Eigenkapital

Der Freibetrag für Eigenkapital errechnet sich aus der Multiplikation der Differenz zwischen dem Nettoeigenkapital am Ende des laufenden Steuerjahres und dem Nettoeigenkapital am Ende des vorangegangenen Kalenderjahres mit einem fiktiven Zinssatz. Das Nettoeigenkapital ist das um Beteiligungen an verbundenen Unternehmen und eigene Anteile verminderte Eigenkapital.

Der anzuwendende fiktive Zinssatz entspricht dabei dem 10-jährigen risikofreien Zinssatz für die jeweilige Währung, der um einen Risikozuschlag von 1% zu erhöhen ist. Für KMU soll der Risikoaufschlag 1,5% betragen.

Der Freibetrag ist für zehn aufeinanderfolgende Steuerjahre steuerlich absetzbar, solange er 30% des EBITDA im entsprechenden Steuerjahr nicht übersteigt. Ist der Freibetrag für Eigenkapital höher als das zu versteuernde Einkommen des Steuerpflichtigen, so kann der Steuerpflichtige ohne zeitliche Begrenzung einen Vortrag des Überschusses vornehmen. Ein Steuervortrag von ungenutzten Freibeträgen, die 30% des EBITDA übersteigen ist hingegen für fünf Steuerjahre möglich.

Sinkt das Nettoeigenkapital, so ist vom Rückgang ein negativer Abzugsbetrag zu ermitteln, soweit diesem in der Vergangenheit ein Zuwachs von Eigenkapital vorangegangen ist, für den ein Freibetrag gewährt wurde. Dieser Betrag erhöht jeweils jährlich das Einkommen über einen Zeitraum von 10 Wirtschaftsjahren. Die Steuerpflicht greift jedoch nicht, wenn die Verringerung des Eigenkapitals auf Verluste oder eine rechtliche Verpflichtung zur Verringerung des Kapitals zurückzuführen ist.

Der Richtlinienvorschlag sieht mehrere Missbrauchsvermeidungsvorschriften und Sonderbestimmungen vor, wie zB die Nichtberücksichtigung gruppeninterner Transaktionen, Sondervorschriften für Sacheinlagen sowie die Nichtberücksichtigung von bestimmten aus Umstrukturierungsmaßnahmen resultierenden Eigenkapitaländerungen.

Verringerung der Abzugsfähigkeit von Fremdkapitalzinsen

Neben dem Freibetrag für Eigenkapital sieht der Richtlinienentwurf vor, dass die Abzugsfähigkeit von Fremdkapitalzinsen um 15% verringert werden soll. Die Abzugsfähigkeit von Fremdkapitalzinsen im Rahmen der Körperschaftsteuer soll auf 85% der Nettozinsaufwendungen begrenzt werden. Der sich danach ergebende Betrag soll mit dem Betrag verglichen werden, der sich nach Anwendung der Zinsschranke ergibt (ATAD I). Nur der niedrigere dieser beiden Beträge soll abziehbar sein.

Bewertung und Ausblick

Die Regelungen der DEBRA Richtlinie (Freibetrag für Eigenkapital, Beschränkung der Abzugsfähigkeit vo Fremdkapitalkosten) stellen einen starken Eingriff in das Steuersystem betreffend die Behandlung von Eigenkapital und auch von Fremdkapital dar. Im Hinblick auf die (derzeit) historisch niedrigen Zinsen erscheint eine Maßnahme zur Stärkung von Eigenkapital grundsätzlich begrüßenswert. Kritisch sind hingegen die Beschränkung der Abzugsfähigkeit von Fremdkapitalkosten sowie die Missbrauchsvermeidungsvorschriften zu sehen, die die Regelung voraussichtlich kompliziert machen und viele Unternehmen von der Begünstigung ausschließen.

Entsprechend dem Richtlinienentwurf soll die Umsetzung der Regelungen in nationales Recht bis 31.12.2023 erfolgen und die neuen Regelungen sollen am 01.01.2024 in Kraft treten.