Der Oberste Gerichtshof hat mit Beschluss 1 Ob 62/25m vom 27. Mai 2025 einen praxisrelevanten Streit entschieden, der die Wirksamkeit eines Liegenschaftskaufvertrags im Spannungsfeld zwischen Treuhandabrede und Tiroler Grundverkehrsgesetz betraf. Die Entscheidung zeigt, wann ein Kaufvertrag trotz einer verdeckten Drittstaatsbeteiligung bestehen bleibt und wann eine Umgehung des § 12 Abs 1 lit a TirGVG zur Nichtigkeit führt.
Schutzzweck des Tiroler Grundverkehrsgesetzes
§ 12 Abs 1 lit a TirGVG verpflichtet Drittstaatsangehörige, vor dem Erwerb von Tiroler Grundstücken eine behördliche Genehmigung einzuholen. Das Gesetz will den Bodenmarkt vor spekulativem Kapital schützen, leistbares Wohnen sichern und die land‑ und forstwirtschaftliche Struktur erhalten. Verdeckte Gestaltungen, die den wahren Erwerber verschleiern, laufen daher Gefahr, den Normzweck zu vereiteln.
Umgehungsgeschäft und Rechtsfolge
Ein Umgehungsgeschäft liegt vor, wenn Parteien ein an sich wirksames Geschäft nur deshalb in einer bestimmten Form abschließen, um den Tatbestand einer zwingenden Norm zu vermeiden, während sie wirtschaftlich genau den durch das Gesetz verpönten Erfolg anstreben. Erhält der verbotswidrige Erfolg tatsächlich Gestalt, droht die Nichtigkeit nach § 879 ABGB.
Sachverhalt und Argumentation der Parteien
Im Jahr 2022 veräußerte eine Verkäuferin eine Tiroler Liegenschaft an eine österreichische Kommanditgesellschaft. Da deren Gesellschafter mehrheitlich EU‑Staatsangehörige waren, bedurfte der Erwerb keiner Genehmigung. Intern hatte die KG jedoch vereinbart, das Objekt treuhändig für ein ukrainisches Unternehmen zu erwerben. Als die KG später die Zahlung verweigerte, berief sie sich auf die Nichtigkeit des Kaufvertrags und argumentierte, es handle sich um eine unzulässige Umgehung des Genehmigungserfordernisses.
Entscheidungsgründe des OGH
Der Senat prüfte zunächst den objektiven Gehalt des Kaufvertrags und stellte fest, dass Eigentum ausschließlich auf die KG übertragen wird. Weil damit keine Rechtsstellung zugunsten des ukrainischen Drittstaatsangehörigen entsteht, bleibt der Schutzzweck des § 12 Abs 1 lit a TirGVG unberührt. Ebenso fehlte ein subjektiver Umgehungswille auf Seiten der Verkäuferin, da diese von der Treuhandabrede nichts wusste. Entscheidendes Gewicht legte das Gericht schließlich auf die rechtliche Selbständigkeit der Treuhandvereinbarung: Erst deren Vollzug – etwa durch spätere Weiterübertragung – würde einen genehmigungspflichtigen Vorgang darstellen. Solange der Kaufvertrag für sich allein den Gesetzeszweck nicht unterläuft, darf seine Wirksamkeit nicht versagt werden.
Konsequenzen für die Praxis
Die Entscheidung bestätigt, dass ein genehmigungsfreier Kaufvertrag wirksam bleibt, sofern er den Normzweck des Tiroler Grundverkehrsgesetzes nicht vereitelt. Gleichzeitig warnt der OGH davor, Treuhandmodelle als Freibrief zu verstehen. Sobald ein Drittstaatsangehöriger wirtschaftliche Eigentümerstellung erlangt, greift die Genehmigungspflicht. Käufer sollten daher frühzeitig klären, ob ihre internen Abreden angezeigt oder genehmigt werden müssen, während Verkäufer vertragliche Zusicherungen zur Offenlegung verdeckter Strukturen verlangen sollten.
Fazit
OGH 1 Ob 62/25m zieht eine klare Linie: Die Wirksamkeit eines Kaufvertrags hängt vom objektiven Vertragsinhalt und vom Schutzzweck der Verbotsnorm ab. Treuhandvereinbarungen bleiben möglich, unterliegen jedoch der behördlichen Kontrolle, sobald sie den Verbotsbereich des Tiroler Grundverkehrsrechts berühren.