In Österreich spielen gemeinnützige Bauvereinigungen eine wichtige Rolle bei der Bereitstellung von leistbarem Wohnraum. Diese Vereine errichten und verwalten Wohnungen, die oft mit öffentlichen Mitteln gefördert werden. Beim Verkauf solcher Wohnungen gelten strenge gesetzliche Regelungen, um sicherzustellen, dass die Wohnungen für breite Bevölkerungsschichten erschwinglich bleiben.
Die WGG-Novelle 2019 und § 15h WGG
Im Rahmen der Novelle des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes von 2019 wurde § 15h WGG eingefügt. Diese Bestimmung legt fest, dass bei einem nachträglichen Verkauf einer geförderten Wohnung für einen befristeten Zeitraum von 15 Jahren ab dem Verkauf der Vollanwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes gilt. Somit unterliegt eine solche Wohnung den Beschränkungen bei der Mietzinsbildung des Mietrechtsgesetzes. Auch der enge Betriebskostenkatalog lässt nur eine eingeschränkte Weiterverrechnung von Betriebskosten zu. Ziel ist es, Spekulation mit gemeinnützig errichtetem Wohnraum zu verhindern und eine langfristige Sozialbindung dieses Wohnraums zu erhalten.
In der Literatur wurde bislang diskutiert, ob die befristete Geltung des Vollanwendungsbereichs des Mietrechtsgesetzes Auswirkungen auf die Fixpreisbildung für solche Wohnungen hat, also zu einem Kaufpreisabschlag führt, weil der Ertragswert der Wohnung gemindert wird.
Genau mit dieser Frage hatte sich der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 5 Ob 46/24m vom 27. Mai 2024 auseinanderzusetzen.
Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs
Im gegenständlichen Fall war die Antragstellerin seit dem 1. Juli 2011 Nutzungsberechtigte einer Wohnung, die von einer gemeinnützigen Bauvereinigung errichtet und vermietet wurde. Mit Schreiben vom 7. April 2021 bot die Antragsgegnerin der Antragstellerin den Erwerb dieser Wohnung zu einem Gesamtkaufpreis von 245.646 Euro an.
Die Antragstellerin beantragte daraufhin die Feststellung der offenkundigen Unangemessenheit des angebotenen Fixpreises und dessen Neubemessung. Sie rügte auch das vom Sachverständigen erstellte Wertgutachten beziehungsweise die angewendete Methode zur Wertermittlung. Das Erstgericht wies den Antrag ab, und das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung.
Der Revisionsrekurs der Antragstellerin wurde zugelassen, weil der Oberste Gerichtshof sich bisher noch nicht mit der Frage befasst hatte, ob die Einführung des § 15h WGG durch die Novelle von 2019 die Angemessenheit des Fixpreises bei nachträglicher Übertragung in das Wohnungseigentum beeinflusst.
Der Oberste Gerichtshof entschied letztlich, dass der Revisionsrekurs zwar zulässig, aber nicht berechtigt sei, und zwar aus folgenden Gründen:
Begründung des OGH
Zum Einwand, dass der Sachverständige eine falsche oder ungeeignete Methode zur Wertermittlung herangezogen habe, verwies der Oberste Gerichtshof darauf, dass kein gesetzlich vorgeschriebener Methodenzwang besteht und dass das von den Tatsacheninstanzen gebilligte Ergebnis eines Gutachtens keiner Nachprüfung durch den Obersten Gerichtshof unterliegt, da es sich um eine Tatfrage handelt. Selbiges gelte auch für die Ermittlung des ortsüblichen Preises für frei finanzierte gleichartige Objekte, wie der Oberste Gerichtshof mit Verweis auf eine bereits ergangene Entscheidung des Fachsenats entschied.
Zum Einwand der offenkundigen Unangemessenheit des Fixpreisangebots führte der Oberste Gerichtshof aus, dass der Fixpreis dann „offenkundig unangemessen“ im Sinne des § 18 Abs 3b WGG ist, wenn er den ortsüblichen Preis für frei finanzierte gleichartige Objekte übersteigt.
Der Oberste Gerichtshof setzte sich ausführlich mit den in der Literatur vertretenen Standpunkten auseinander und sprach sich letztlich gegen die Berücksichtigung der durch die Anwendbarkeit des Mietrechtsgesetzes befristeten Begrenzung der Mieterträge im Rahmen der Prüfung der Angemessenheit des Fixpreises aus und begründete dies wie folgt:
Die gesetzliche Bestimmung des § 18 Abs 3b WGG wurde durch die Novelle des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes von 2019 nicht geändert und erklärt nach wie vor den „ortsüblichen Preis für frei finanzierte gleichartige Objekte“ als maßgeblichen Vergleichswert. Somit sei auf die in ihrer konkreten Lage, Bauweise und Ausstattung gleichartigen Objekte abzustellen, die ohne öffentliche Mittel errichtet wurden.
Den Stimmen, die sich für eine Berücksichtigung aussprachen, entgegnete der Oberste Gerichtshof, dass es unzulässig wäre, mit dem Begriff „gleichartig“ die Bedeutung der Wortfolge „frei finanzierte“ gleichsam aufzuheben, indem für die Preisbildung nicht mehr die frei finanzierten Objekte herangezogen würden, die das Gesetz ausdrücklich als Maßstab anordnet. Eine planwidrige Regelungslücke läge insofern für den Obersten Gerichtshof nicht vor.
Auch in den Begriff „ortsüblich“ ließe sich die Mietzinsbegrenzung nach dem Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz nicht hineinlesen, denn dieses Kriterium stelle gerade nicht auf die Finanzierung der Errichtung des Wohnraums durch öffentliche Mittel oder die befristete Mietzinsbegrenzung ab.
Letztlich sah der Oberste Gerichtshof auch keine von der Antragstellerin behauptete Schlechterstellung von Käufern von Wohnungen gemeinnütziger Bauvereinigungen im Verhältnis zu Käufern von freifinanzierten Wohnungen: Die vorübergehende Begrenzung der erzielbaren Mietzinse und des Ertragswerts ist für den selbst nutzenden Erwerber nicht wirksam, denn wenn er oder seine Familie das Objekt – wie vom Gesetzgeber intendiert – bewohnt, ist ein hypothetischer Ertrag durch Vermietung und dessen Höhe für den Wert dieser Wohnung letztlich unbedeutend.
Anmerkung
Ich finde die Argumentation des Obersten Gerichtshofs schlüssig und sehr gut nachvollziehbar. Damit dürfte der Spekulation mit gemeinnützigen Wohnungen, die in Konkurrenz zum freifinanzierten Wohnbau steht, ein wesentlicher Riegel vorgeschoben sein.